Smalltalk

Beeinflussen uns die Wertungszahlen ?

thomas_d - 24. Feb '18
Moinsen.
Ich habe mir meine letzten 50 Partien mal angesehen. Eine kleine Überraschung:

Durchschnittliche Gegnerstärke 1558
Ich hab 65% der Partien gewonnen
Gegnerschnitt (ich gewinne ) 1545
Gegnerschnitt (ich verliere) 1579

Meine Wertung stieg in diesen 50 Partien von 1608 auf heute 1706..
mathematisch korrekt, aber gefühlt unlogisch...aber die vermutet zu hohe Bewertung wird sich sicher in kommenden Spielen wieder angleichen.

Soll keine Anklage sein oder Kritik am Wertungssystem. Nur Selbstreflektion und Einleitung zu meiner Frage: Würde gern wissen ob sich jemand durch die Höhe der Gegnerbewertung in der eigenen Spielart beeinflussen lassen? Spielt ihr dann vorsichtiger, aggressiver, schneller, arroganter (bei eigener deutlich höher Bewertung), oder unsicherer bei vermeintlich vorbestimmten Niederlage?
thomas_d - 24. Feb '18
Wer trotz oder wegen der Autokorrektur (ich nutze das Smartphone) im Text Rechtschreib- und Grammatikfehler findet, darf die behalten :o)
Remise - 24. Feb '18
Ja sie beeinflussen uns stark.
Tschechov - 24. Feb '18
Ich glaube auch, daß sie uns beeinflussen. Im Anfang habe ich gegen Gegner mit einer geringeren Punktzahl arrogant und überheblich gespielt und dadurch oft unnötig verloren. Interessanterweise habe ich heute mehr das Problem, daß ich gegen vermeintlich schwächere Spieler psychologisch mehr unter Druck stehe als gegen stärkere Kontrahenten. Ich habe mal zwei Partien gegen einen Spieler gespielt, der vierhundert Punkte unter mir lag. Für ihn hätte es im Fall eines Sieges zwanzig Punkte gegeben, für mich null Punkte. Es waren dann leichte Partien, aber mir ging der Arsch zu Anfang auf Grundeis. "Wenn du die Partien verlierst oder auch nur lediglich Remis spielst", dachte ich, "bist du der allerletzte Depp."
patzer0815 - 24. Feb '18
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man sich der Spielstärke des Gegners zu einem gewissen Grad anpasst bzw. annähert. Meine besten Partien habe ich definitiv gegen starke Gegner gespielt.
keinstein - 24. Feb '18
@patzer0815
Das geht mir ganz genauso; ich habe gegen stärkere Gegner eine ganz erstaunliche Bilanz.
Das zeigt möglicherweise auch, dass stärkere Gegner einem größeren psychologischem Druck ausgesetzt sind. Das würde heißen, die stärkeren Gegner nähern sich auch den schwächeren Gegnern an.
Mikrowelle - 24. Feb '18
Noch deutlicher wird das Phänomen im Nahschach. Ich habe letzte Woche gegen einen Kugelschreiber lutschenden 12jährigen verloren, weil ich den Jungen von Anfang an unterschätzt hatte und als er schon 60Minuten verbraucht hatte, waren bei mir erst 5 Minuten abgelaufen.
Schachtuerke - 24. Feb '18
"Durchschnittliche Gegnerstärke 1558
Ich hab 65% der Partien gewonnen
Gegnerschnitt (ich gewinne ) 1545
Gegnerschnitt (ich verliere) 1579"

interessant - mich würde da noch der Median interessieren - die "Mitte" der Gegnerwertungen: die eine Hälfte liegt über dem Median, die andere darunter. Hattest du die Statistik zufällig mit Excel gemacht? Dann könntest du das doch noch schnell ermitteln. :-)
thomas_d - 24. Feb '18
Mir gehts wie Tschechov. Unterbewusst spiele ich gegen kleinere Wertungsuahlen anders als gegen vermeintlich stärkere. Auf CM gehts immer um 20 Punkte. Ich spiele auch auf anderen Plattformen. Auf Chess24 zB gehts um gleich 50 Punkte. Man startet als Neuling und als Gast immer bei 1500. Anbieter Chess.com ist auch interessant, die binden noch Gliko in die Bewertung ein. Aber da bin ich sehr selten.

HHäufiger auf Chess24 . Dort entscheidet auch der Zufall über deinen Gegner. Man kann zwar eine Bandbreite der Wunsch-Gegnerwertung einstellen, aber weiß nicht wer der Gegner wird.
Ich schaue mir die Wertung des Gegners inzwischen kaum noch vor dem Spiel an. Jeder Gegner verdienen sportlichen Respekt und so halte ich im Lvespiel meine Konzentration und Motivation hoch.

@Schachtuerke: hab leider nix davon gespeichert.
crysi40 - 24. Feb '18
Ich glaube für andere Server werbung zu machen wird nicht so gerne gesehen;-)
just_for_fun - 26. Feb '18
>>Mir gehts wie Tschechov. Unterbewusst spiele ich gegen kleinere Wertungsuahlen anders als gegen vermeintlich stärkere. <<

Macht wahrscheinlich jeder so. Gegen Leute mit schlechter Zahl spiele ich meist ganz unbekümmert drauflos (was sich durchaus rächen kann!), während ich so ca. ab Wertungszahl 1800 eine viel vorsichtigere Spielweise anwende, und jeden Zug möglichst so wähle, dass ich das Remis in der Hand behalte, ohne Risiken einzugehen, so dass diese Partien letztlich auch meist im Remis enden, außer einem von uns passiert ein grober Ausrutscher.
patzer0815 - 26. Feb '18
Gegen starke Spiele spiele ich (mental) eher unbekümmert drauf los als gegen vermeintlich Schwächere. Wobei ich vom Stil her gegen nominell Schwächere und Stärkere gleich spiele: Versuche mich in der Eröffnung ordentlich aufzustellen und nichts einzustellen.

Insgesamt kann ich (als Trainer) nur empfehlen: Je stärker der Gegner ist, desto mehr muss man angreifen, um eine Chance zu haben.
Wenn man passiv spielt, schiebt ein starker Gegner einen Stück für Stüch zusammen. Andersum habe ich gegen schwächere Gegner schon öfters die Erfahrung gemacht (nicht nur und nicht primär in meinen Partien), dass sich die Spieler selbst ein Bein stellen, wenn man einfach nichts droht und laviert.
thomas_d - 26. Feb '18
Ich stelle allgemeinen auch fest, dass meine Partien im Fernschach eine höhere Qualität haben als Live-Blitzpartien. Im Blitzen hab ich oft gegen vermeintlich leichte Gegner versucht mit Eröffnungsfallen zu punkten. Zeitdruck führt zudem zu Fehlern. Funktioniert beides im Fernschach nicht (oder selten)
patzer0815 - 26. Feb '18
Ich denke, dass die Qualität des Spiels in der Regel bei jedem Spieler mit mehr Zeit auch zunimmt (wenn man sich die Zeit dann auch zum Nachdenken nimmt und nicht einfach immer a tempo spielt). Bei uns war allerdings auch mal ein sehr netter Spieler im Verein, der zwar gar keine Vorliebe fürs Blitzen hatte, aber richtig stark spielte, wenn er schnell spielen musste und wenn er lange Zeit zu überlegen hatte relativ schwache Züge produzierte.
Allgemein stimmt es tendenziell auch, dass die Chancen des schwächeren Spielers mit der Verkürzung der Bedenkzeit steigen.
Hasenrat - 26. Feb '18
Diese Auffassung kann ich nun gar nicht bestätigen.
Ich denke, je stärker der Spieler, desto weniger muss er nachdenken. Er hat so viel Routine in allen Spielabschnitten - Eröffnung, Mittelspiel, Endspiel - dass er die meisten Züge aus dem Ärmel der großen Erfahrung schütteln kann.
Ich stimme aber auch zu, dass, je länger ein schwächerer Spieler nachdenkt, desto konfuser auch seine Zugfindung wird.
Es muss irgendwo ein Zeitwert in der Mitte sein, der den schwächeren Spieler relativ begünstigt. Vielleicht im Rapid.
Hasenrat - 26. Feb '18
Und wo hab ich mal gelesen, dass 15 Minuten die "magische Grenze" sind, bis zu der es sich lohnt, bei einiger Disziplin, über einen Zug fruchtbar nachzudenken - alles was darüber hinausgeht eher kontraproduktiv, im besten Falle noch redundant ist? War es hier? Oder woanders?
Vabanque - 26. Feb '18
>>Ich denke, je stärker der Spieler, desto weniger muss er nachdenken. Er hat so viel Routine in allen Spielabschnitten - Eröffnung, Mittelspiel, Endspiel - dass er die meisten Züge aus dem Ärmel der großen Erfahrung schütteln kann.<<

Dann bin ich jedenfalls KEIN starker Spieler.

>>Ich stimme aber auch zu, dass, je länger ein schwächerer Spieler nachdenkt, desto konfuser auch seine Zugfindung wird.<<

Dann bin ich am Brett ein schwacher Spieler (denn da ist es bei mir so), im Fernschach aber nicht, denn da zahlt sich längeres Nachdenken bei mir oft aus. Vor allem bringt es mir hier im Serverschach etwas, die Partie 'liegen zu lassen', etwas anderes zu machen, mir die Stellung dann später am Tag oder am nächsten Tag nochmal anzuschauen. Und schon ist eine neue Zugidee da (oder auch nicht, ok).

>>Und wo hab ich mal gelesen, dass 15 Minuten die "magische Grenze" sind, bis zu der es sich lohnt, bei einiger Disziplin, über einen Zug fruchtbar nachzudenken - alles was darüber hinausgeht eher kontraproduktiv, im besten Falle noch redundant ist? War es hier? Oder woanders?<<

Manchmal lese ich aber in den Kommentaren zu GM-Partien, dass Spitzenspieler 40 Minuten und mehr über einen Zug nachgedacht haben, und das war dann wirklich die Superidee. Freilich gibt es auch Gegenbeispiele - eine Stunde über einen Zug nachgedacht, und das war dann der sofortige Verlustzug - auch in GM-Partien.
Hasenrat - 27. Feb '18
Präzisierung: Ich gehe bei den oben angestellten Überlegungen zu Zuggüte- u. Bedenkzeitverhältnis, und das noch in Bezug auf die Gewinnchancen, selbstredend immer von einem deutlichen Leistungsgefälle der Kontrahenten in der betreffenden Begegnung aus.

Was die 15 Minuten betrifft, ist es wohl eine Faustregel mit etlichen Ausnahmen. Aber ich glaube sie stammt auch aus GM-Munde.
Ich selbst habe die 15 Minuten-Regel am WE wieder erfahren müssen am eigenen Hirn. Ein Berg kreiste u. gebar eine Maus, die sich leis verzweifelnd piepend in die Zugwiederholung eines eigtl. gewonnenen Endspiels flüchtete ...
Tschechov - 27. Feb '18
Selbstredend gibt es einen großen Unterschied zwischen Partien "am Brett" und per Internet. Bei Fernschachpartien kann man ja unterbrechen und weiterdenken, wenn man wieder klar im Kopf ist, da kann es sich sogar lohnen, über eine Stunde über einen Zug nachzudenken, wenn man die Stunde stückelt. Bei Partien "in echt" sieht das anders aus. Jonathan Rowsen hat in seinem Buch "Die sieben Todsünden des Schachspielers" als eine dieser Todsünden "Denken" aufgeführt, also eben Weitergrübeln, wenn die Konzentration bereits ausgeschöpft wurde.
Hanniball - 27. Feb '18
@ Tschechow

.....gutes Buch....aber es gibt noch eine achte Todsünde, welcher er unerwähnt bzw. offen lies.
Tschechov - 27. Feb '18
@Hanniball: Nämlich? Mir fiele da spontan Tollkühnheit ein.
brauna - 27. Feb '18
Für mich ist auch die "Betriebsblindheit" verblüffend: Man grübelt und grübelt über eine Stellung und findet keine gescheite Lösung...
Am nächsten Tag schaut man auf seinen PC und es fällt einem wie Schuppen von den Augen.......mehrfach schon erlebt hier bei cm.
thomas_d - 27. Feb '18
Ich sehe den besseren Zug manchmal erst, wenn meine andere Figur schon steht.... mein Wort dafür ist Schachblind , oder manchmal auch "Reflex des Anfängers". Trotz aktueller Bewertung, für mehr halte ich mich noch nicht...
Aletea - 01. Mär '18
Als ich letzten Sonntag in der Verbandsliga ausgeholfen habe. Spielte ich gegen einen
knapp DWZ 400 stärkeren Gegner. Obwohl ich solide aus meinen Englischen-Eröffnung
heraus kam und ein gute Gefühl hatte. Habe ich doch nicht die richtigen Entscheidungen
im Mittelspiel getroffen. Ein recht leichtfertiger Bauernverlust im Zentrum brachte meinem Gegner in einen soliden Angriff dem ich mich nicht mehr wiedersetzen konnte.
Nach 32 Zügen konnte ich aufgegen.
Schach am Brett ist schon etwas anderes als am PC. Man muß am Brett zeitnahe Entscheidungen treffen und kann nicht sagen ich komme Morgen nochmals wieder.
Kellerdrache - 01. Mär '18
Ja, wie lang man über einen Zug nachdenkt und ob das was bringt hängt bestimmt auch von der Art des Nachdenkens ab. Ich kenne es von mir, dass ich mich beim Nachdenken oft im Kreis drehe und ei und denselben Gedanken mehrmals überprüfe. Entweder weil ich mich aus Sturheit von einem Plan nicht verabschieden will oder weil ich meiner eigenen Kalkulation nicht traue. Dabei fällt mir äußerst selten durch wiederholtes durchgehen einer Zugfolge wirklich etwas neues auf. Die Art des Nachdenkens ist natürlich nicht produktiv.
Wenn jemand dagegen konzentriert, Schritt für Schritt eine Variante durchgeht und dafür, bei entsprechend komplizierter Stellung, etwas länger braucht bringt das sicher eine ganze Menge.
Erfolgreiche Spitzenspieler denken nicht unbedingt mehr oder weniger als wir, sondern vielleicht einfach konzentrierter und mit weniger chaotischem Hin und Her im Kopf.
Schlafabtausch - 21. Mär '18
thomas_d ich hoffe zumindest dass meine Gegner arroganter spielen, wenn sie eine hlöhere Wertungszahl haben, habe schon etliche Partien gewonnen auch gegen erheblich sträkere weil die meitnen meine Drohungen nicht ernst nehmen zu müssen..
pfui_teufel - 21. Mär '18
...wie meitnet man denn drohungen ?

}:°)
Meist_gut_drauf - 21. Mär '18
Von Engines wird hier nicht geredet. Bin kein misstrauischer Mensch. Aber die werden doch von einigen verwendet.Seien wir doch ehrlich. Je höher die Elozahl eines Gegners, je wahrscheinlicher "KÖNNTE" es sein,dass dieser Gegner eine Engine benutzt. Ich weiss,dass diese Annahme für viele unbequem ist.Aber es ist nun mal so. Man hat das im Hinterkopf. Betone aber ausdrücklich,dass ich das keinem unterstelle. Kann übrigens verlieren. Kein Problem.
Aufbaugegner - 21. Mär '18
Meine Frage war ja auch nicht nach der Enginenutzung gestellt , kein "spielst du eher gegen hohe wertungen mit Hilfe oder gegen Schwächere?" Das muss jeder selbst mit sich ausmachen.


Im Fernschach (BdF und auch International) ist die Nutzung von Computern übrigens zulässig, ausser sie wird in der Turnierausschreibung eindeutig ausgeschlossen.

"Der Computereinsatz beim Fernschach sollte allgemein so verstanden werden, dass er den Spieler bei dessen eigenen Analysen hilfreich durch Zugvorschläge oder Nachprüfung unterstützt, aber keinesfalls anstelle des Spielers die Partie spielt. In dem Augenblick nämlich, wo ein Fernschachspieler zum Handlanger seines Computers wird und der Zug nicht mehr Produkt seiner geistigen Schöpfung ist, wird das Fernschachspiel für ihn zu Farce. Schon bald wird dann ein solcher Schachfreund sich nicht mehr über den Sieg seines Computers freuen können; vielmehr wird er sich über die sinnlosen Porto- oder Onlinekosten und die Zeitverschwendung mehr und mehr ärgern und den Computer beiseite stellen."
(Quelle: www.fernschachbund.de/infos/neuhier/faqfs.htm)

Meine Frage ging um die Spielerpsychologie. Würde mich freuen wenn das Thema "Cheaten" in diesem Beitrag nicht weiter ausgerollt wird.
Schlafabtausch - 26. Mär '18
Drohung! im Schach,w enn du mit einem Angriff drohst...ist doch ein feststehender Fachbegrif im Schach, bin erstaunt.
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