Kommentierte Spiele

GM Vlastimil Hort R.I.P.: Ribli - Hort, Tilburg 1978

Vabanque - 18. Mai '25
Den am 12.5. leider verstorbenen GM Vlastimil Hort muss ich den Schachfreunden ja wohl kaum nachträglich vorstellen (siehe dazu auch den Thread /forum/thread/CZmnR4lgIHit?sv=8); ich ehre ihn mit einer Kommentierung eines Schwarzsiegs gegen den damaligen ungarischen Spitzenspieler GM Zoltan Ribli. Die Partie wurde 1978 in Tilburg gespielt.

(Da ich den Partiekommentar aus gegebenem Anlass relativ schnell erstellt habe, ist er natürlich nicht besonders ausführlich oder ausgefeilt. Ich hoffe aber, den Verstorbenen damit dennoch einigermaßen angemessen zu würdigen.)

Zoltan Ribli Vlastimil Hort Tilburg Interpolis | Tilburg NED | 3 | 1978.09.03 | E15 | 0:1
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sf3 b6 4. g3 La6 Greift sofort c4 an und ist schärfer als das 'natürliche' Lb7. 5. b3 Lb4+ 6. Ld2 Le7 Sinn und Zweck dieses zunächst sonderbar anmutenden, aber in ähnlichen Stellungen häufig anzutreffenden Läufermanövers war es, den weißen Läufer auf ein Feld (d2) zu locken, wo er mehr im Weg steht als nützt. 7. Sc3 c6 8. e4 d5 9. Dc2 Der ungarische GM bereitet e5 vor, indem er das Feld e4 noch einmal überdeckt.
Häufig wird auch das sofortige 9. e5 Se4 10. Ld3 gespielt.
xe4 Hort möchte nun e4-e5 nicht mehr zulassen. 10. Sxe4 Lb7 Der richtige Platz des Läufers ist jetzt auf der langen Diagonale; auf a6 hatte er nichts mehr auszurichten. Früher oder später wird Schwarz c5 spielen und damit den Lb7 zur vollen Wirksamkeit verhelfen. 11. Ld3 Im 4. Zug hatte Weiß mit g2-g3 dem Läufer ein Entwicklungsfeld auf g2 bereitet, aber danach waren immer wieder Ereignisse eingetreten, die diese Entwicklung verzögert hatten. Nun entscheidet Weiß, dass der Läufer hier besser steht als auf g2.
Auf 11. Lg2 wäre nämlich sofort c5 erfolgt, mit Angriff auf den Se4.
Sbd7 12. O-O-O Im Fall der kurzen Rochade würde nun der Königsläufer auf g2 fehlen. Freilich ist die lange Rochade nicht ohne Risiken. Schwarz kann und wird mit a5 die Öffnung der a-Linie betreiben. Das hätte Hort auch gleich spielen können, aber da seine Figuren ein wenig gedrängt stehen, zieht er es vor, zunächst einen entlastenden Tausch einzuschalten. Sxe4 13. Lxe4 Sf6 14. The1 O-O 15. h4 Aus dem geplanten Angriff gegen die kurze Rochade des Schwarzen wird nichts werden, trotzdem ist nichts Besseres zu sehen. a5 16. Lc3
Konsequenter war 16. h5 .
Lb4! 17. Lxb4?! Ohne wirkliche Notwendigkeit öffnet Weiß seinem Gegner die a-Linie.
Es ist nicht ganz verständlich, warum der Ungar nicht gleich 17. Se5 gespielt hat.
xb4 18. Se5?! Nun ist dies wegen der schwarzen Fortsetzung nicht mehr so gut.
Interessant war jedenfalls 18. c5!? , um schwarzes c6-c5 zu blockieren.
Sxe4 19. Txe4 c5 Schwarz hat bereits die Initiative übernommen. 20. xc5!? Mit diesem Qualitätsopfer versucht Weiß das Blatt noch zu wenden; das Spiel wird nun äußerst kompliziert. Lxe4 21. Dxe4 Df6! Hort spielt auf Gewinn!
Nach dem vorsichtigen Dc7 hätte Weiß mit 22. Sd7! die Qualität zurückerobert: xc5! (wegen der Drohung cxb6 erzwungen) 23. Sxf8 Txf8 mit sehr wahrscheinlichem Remis.
22. xb6 Nun hat Weiß zwei verbundene Freibauern, aber einen luftigen König. Dxf2 Greift nicht nur b6 an und verhindert c5, sondern droht vor allem Txa2 mit Verdopplung auf der vorletzten Reihe und tödlichen Mattdrohungen. 23. Dd4 Der einzige Zug, der alles hält. Dxa2 24. Sd7? Bisher hat Ribli in kritischer Stellung gut mitgemischt, dieser Zug aber verliert sofort.
Mit 24. c5! konnte Weiß seine verbundenen Freibauern als Gegengewicht zum schwarzen Angriff in die Waagschale werfen.
Da1+ Hort erzwingt die folgende - von Weiß wohl übersehene - Abwicklung in ein gewonnenes Endspiel. 25. Dxa1 Txa1+ 26. Kc2 Txd1 27. Kxd1
27. Sxf8 Td8 ist nicht besser und verläuft ähnlich wie die Partiefortsetzung.
Td8 Diese Fesselung ist entscheidend, und die weißen Bauern erweisen sich als zu langsam. 28. c5 Txd7+ 29. Ke2 Weiß fehlt nur ein Tempo, denn wäre er am Zug, so würden nach c6 seine verbundenen Freibauern gegen den Turm gewinnen! Tb7 So aber hilft auch die Annäherung des weißen Königs nicht mehr, da der schwarze ebenfalls herankommt. 30. Kd3 Kf8 31. Kc4 Ke8 und Ribli gab auf, weil er sah, dass Hort die weißen Bauern stoppen wird.
Es könnte noch weitergehen mit Ke8 32. Kb5 Kd8 33. c6 Te7
PGN anzeigen[Event "Tilburg Interpolis"]
[Site "Tilburg NED"]
[Date "1978.09.03"]
[Round "3"]
[White "Zoltan Ribli"]
[Black "Vlastimil Hort"]
[Result "0-1"]
[WhiteElo "?"]
[BlackElo "?"]
[ECO "E15"]

1. d4 Nf6 2. c4 e6 3. Nf3 b6 4. g3 Ba6 {Greift sofort c4 an und ist schärfer
als das 'natürliche' Lb7.} 5. b3 Bb4+ 6. Bd2 Be7 {Sinn und Zweck dieses
zunächst sonderbar anmutenden, aber in ähnlichen Stellungen häufig
anzutreffenden Läufermanövers war es, den weißen Läufer auf ein Feld (d2) zu
locken, wo er mehr im Weg steht als nützt.} 7. Nc3 c6 8. e4 d5 9. Qc2 {Der
ungarische GM bereitet e5 vor, indem er das Feld e4 noch einmal überdeckt.} (
{Häufig wird auch das sofortige} 9. e5 Ne4 10. Bd3 {gespielt.} ) 9... dxe4
{Hort möchte nun e4-e5 nicht mehr zulassen.} 10. Nxe4 Bb7 {Der richtige Platz
des Läufers ist jetzt auf der langen Diagonale; auf a6 hatte er nichts mehr
auszurichten. Früher oder später wird Schwarz c5 spielen und damit den Lb7 zur
vollen Wirksamkeit verhelfen.} 11. Bd3 {Im 4. Zug hatte Weiß mit g2-g3 dem
Läufer ein Entwicklungsfeld auf g2 bereitet, aber danach waren immer wieder
Ereignisse eingetreten, die diese Entwicklung verzögert hatten. Nun entscheidet
Weiß, dass der Läufer hier besser steht als auf g2.} ( {Auf} 11. Bg2 {wäre
nämlich sofort} 11... c5 {erfolgt, mit Angriff auf den Se4.} ) 11... Nbd7 12.
O-O-O {Im Fall der kurzen Rochade würde nun der Königsläufer auf g2 fehlen.
Freilich ist die lange Rochade nicht ohne Risiken. Schwarz kann und wird mit a5
die Öffnung der a-Linie betreiben. Das hätte Hort auch gleich spielen können,
aber da seine Figuren ein wenig gedrängt stehen, zieht er es vor, zunächst
einen entlastenden Tausch einzuschalten.} 12... Nxe4 13. Bxe4 Nf6 14. Rhe1 O-O
15. h4 {Aus dem geplanten Angriff gegen die kurze Rochade des Schwarzen wird
nichts werden, trotzdem ist nichts Besseres zu sehen.} 15... a5 16. Bc3 (
{Konsequenter war} 16. h5 {.} ) 16... Bb4 $1 17. Bxb4 $6 {Ohne wirkliche
Notwendigkeit öffnet Weiß seinem Gegner die a-Linie.} ( {Es ist nicht ganz
verständlich, warum der Ungar nicht gleich} 17. Ne5 {gespielt hat.} ) 17...
axb4 18. Ne5 $6 {Nun ist dies wegen der schwarzen Fortsetzung nicht mehr so
gut.} ( {Interessant war jedenfalls} 18. c5 $5 {, um schwarzes c6-c5 zu
blockieren.} ) 18... Nxe4 19. Rxe4 c5 {Schwarz hat bereits die Initiative
übernommen.} 20. dxc5 $5 {Mit diesem Qualitätsopfer versucht Weiß das Blatt
noch zu wenden; das Spiel wird nun äußerst kompliziert.} 20... Bxe4 21. Qxe4
Qf6 $1 {Hort spielt auf Gewinn!} ( {Nach dem vorsichtigen} 21... Qc7 {hätte
Weiß mit} 22. Nd7 $1 {die Qualität zurückerobert:} 22... bxc5 $1 {(wegen der
Drohung cxb6 erzwungen)} 23. Nxf8 Rxf8 {mit sehr wahrscheinlichem Remis.} ) 22.
cxb6 {Nun hat Weiß zwei verbundene Freibauern, aber einen luftigen König.}
22... Qxf2 {Greift nicht nur b6 an und verhindert c5, sondern droht vor allem
Txa2 mit Verdopplung auf der vorletzten Reihe und tödlichen Mattdrohungen.} 23.
Qd4 {Der einzige Zug, der alles hält.} 23... Qxa2 24. Nd7 $2 {Bisher hat Ribli
in kritischer Stellung gut mitgemischt, dieser Zug aber verliert sofort.} (
{Mit} 24. c5 $1 {konnte Weiß seine verbundenen Freibauern als Gegengewicht zum
schwarzen Angriff in die Waagschale werfen.} ) 24... Qa1+ {Hort erzwingt die
folgende - von Weiß wohl übersehene - Abwicklung in ein gewonnenes Endspiel.}
25. Qxa1 Rxa1+ 26. Kc2 Rxd1 27. Kxd1 (27. Nxf8 Rd8 {ist nicht besser und
verläuft ähnlich wie die Partiefortsetzung.} ) 27... Rd8 {Diese Fesselung ist
entscheidend, und die weißen Bauern erweisen sich als zu langsam.} 28. c5 Rxd7+
29. Ke2 {Weiß fehlt nur ein Tempo, denn wäre er am Zug, so würden nach c6 seine
verbundenen Freibauern gegen den Turm gewinnen!} 29... Rb7 {So aber hilft auch
die Annäherung des weißen Königs nicht mehr, da der schwarze ebenfalls
herankommt.} 30. Kd3 Kf8 31. Kc4 Ke8 {und Ribli gab auf, weil er sah, dass Hort
die weißen Bauern stoppen wird.} ( {Es könnte noch weitergehen mit} 31... Ke8
32. Kb5 Kd8 33. c6 Re7) 0-1
TscheierDeluxe - 18. Mai '25
Dankeschön!
Kam jetzt zum richtigen Zeitpunkt.
Ich hätte mich in der Position wahrscheinlich nicht getraut groß zu rochieren. Vielleicht musste Weiß aber auch auf Sieg spielen und suchte die Komplikation, dass weiss ich nicht. V. Hort hat es jedenfalls schön bestraft.
Oli1970 - 20. Mai '25
Danke für die Kommentierung, Vabanque! Bist fleißig in den letzten Monaten. :-)
Hier hat mir das Endspiel besonders gut gefallen. Dass Riblis Sd7 die Niederlage einleitet, ist mit den nachfolgenden Zügen gut nachvollziehbar. Die Abwicklung kann man sich einprägen - relativ unkompliziert und doch ein ordentlicher Einschlag. 28.Td8 hätte von mir gut und gerne ein bis zwei Ausrufezeichen bekommen, sehr stark gespielt. Auf Horts Niveau wahrscheinlich Endspiel-Basics, für mich ein Aha-Effekt.
Vabanque - 21. Mai '25
>>Danke für die Kommentierung, Vabanque! Bist fleißig in den letzten Monaten. :-)<<

Es bestanden ja auch häufiger konkrete Anlässe zu einer Kommentierung, wie eben auch hier. Ein trauriger Anlass zwar, aber dafür doch umso mehr ein Anlass.

>>Dass Riblis Sd7 die Niederlage einleitet, ist mit den nachfolgenden Zügen gut nachvollziehbar. Die Abwicklung kann man sich einprägen - relativ unkompliziert und doch ein ordentlicher Einschlag. 28.Td8 hätte von mir gut und gerne ein bis zwei Ausrufezeichen bekommen, sehr stark gespielt. Auf Horts Niveau wahrscheinlich Endspiel-Basics, für mich ein Aha-Effekt.<<

Die mit Da1+ beginnende Abwicklung ist zwingend (dem Damentausch auszuweichen bedeutet für Weiß die sofortige Niederlage) ... das Wesentliche war (finde zumindest ich), dabei zu erkennen, dass die weißen Bauern hinterher keine Gefahr darstellen. Ich denke auch, ein sehr starker Spieler sieht das schnell. Ich dagegen war erstaunt, als ich gemerkt habe, dass es hier wirklich um ein einziges Tempo geht. Hätte Schwarz nicht dieses Mehrtempo und könnten die weißen Bauern einen Zug früher gemeinsam auf die 6. Reihe gelangen, würde Weiß GEWINNEN, und die ganze Abwicklung mit der Fesselung durch Td8 als hübsche Pointe (darin stimme ich dir zu, SF Oli1970!) wäre keinen Pfifferling wert gewesen.
Die Frage ist für mich, ob der ungarische GM die Abwicklung selbst bzw. die Fesselung durch Td8 übersehen hat (was in einer so komplizierten Stellung selbst für einen GM vorstellbar ist, wenn auch einigermaßen überraschend), oder ob er nicht gesehen hat, dass Schwarz seine Bauern unschädlich machen kann.
Ribli lebt noch, man könnte ihn theoretisch fragen (nur wie?). Hort kann man leider nichts mehr fragen🙁