Smalltalk

Preisauszeichnung bei Tengelmann (und sonstwo)

ThommyTulpe - 10. Sep '08
Hallo!

Vor ein paar Tagen ist hier im Forum gefragt worden, ob ein Händler seine Waren zu demjenigen Preis verkaufen muss, der auf dem Preisschild angegeben ist. Ich hab' mal versucht, im Intrenet nach ein paar Infos dazu zu suchen...und weil das Internet sooo groß und meine Zeit nur begrenzt ist, kann ich erst jetzt Vollzug melden. Schade, dass der Tag nur 24 Stunden hat... :-)


Zwei Dinge muss man da wohl auseinanderhalten:
- die Preisauszeichnungspflicht (wann also ein Händler für seine Produkte einen Preis angeben muss, und wie das aussehen muss) und
- den Abschluss eines Vertrags (im Supermarkt einzukaufen ist ja nichts anderes als ein Kaufvertrag).


Die Preisauszeichnungspflicht:
Dafür gilt die sogenannte Preisangabenverordnung , die man auf bundesrecht.juris.de/pangv/index.html nachlesen kann. Soweit ich das verstanden habe, muss in den allermeisten Fällen ein Preis angegeben werden, so etwa im Kaufhaus, in dem Verbraucher einkaufen.
Neben dem Endpreis muss manchmal auch der Preis pro Einheit angegeben werden, das heißt, dass beispielsweise bei Getränken nicht nur der Preis pro Flasche angegeben ist (den man an der Kasse letztlich bezahlen muss), sondern auch der (rechnerische) Preis pro Liter.

Der Kaufvertrag:
Beim Kaufen kommt ein (Kauf-)Vertrag zustande. Das deutsche Recht kennt man Vertrag mehrere Schritte, die begangen werden müssen, damit der Vertrag letztlich abgeschlossen werden kann: das Vertragsangebot, die Annahme des Vertragsangebotes, und damit der Vertragsschluss.
Zuerst also wird ein Angebot gemacht, wie der Vertrag aussehen kann - da geht's dann beispielsweise um den Preis oder um Lieferfristen. Wenn die andere Vertragsseite dem zustimmt, wird das Vertragsangebot angenommen - und sobald das Vertragsangebot angenommen wird, gilt der Vertrag als geschlossen.
Preisfrage: Was ist ein Vertragsangebot? Wenn im Kaufhaus ware ausliegt, dann ist das kein Vertragsangebot - und ohne Vertragsangebot kann der Kunde auch keinen (Kauf-)Vertrag abschließen, sprich: die Ware nicht kaufen. Die ausliegende Ware ist also -so sehen das zumindest viele Juristen- nicht ein Vertragsanhgebot, sondern eine Einladung, dass der Kunde dem Kaufhaus ein Vertragsangebot macht. So beschreibt das zumindest de.wikipedia.org/wiki/Aufforderung_zur_Abgabe_eines_Angebots.

Wie läuft das also im Supermarkt? Ich sehe die Flasche XYZ, daneben ist der Preis mit 1,39 EUR (für eine Flasche) angegeben. ich nehm' mir eine Flasche und leg' sie an der Kasse vor. Rechtlich gesehen, hab' ich damit (mit dem Vorlegen an der Kasse) ein Vertragsangebot gemacht: Ich biete dem Suepermarkt an, die Flasche für 1,39 EUR zu kaufen. Die Kassiererin nimmt die Flasche auf, was bedeutet, dass sie mein Vertragsangebot annimmt - und damit ist der kaufvertrag beschlossene Sache.
Kann aber auch sein, dass die Kassiererin sagt, die Flasche koste mittlerweile 1,45 EUR. was dann? Dann hat sie mein Vertragsangebot abgelehnt, und beide Seiten (Supermarkt und Kunde) können ein neues Vertragsangebot machen; beispielsweise kann die Kassiererin mir anbieten, die Flasche für den höheren Preis zu kaufen. Der ursprünglich angegebene Preis von 1.39 EUR ist kein Vertragsangebot, sondern nur die Auffordung an mich als Kunden, dem Supermarkt einen Kaufvertrag (mit 1,39 EUR als Preis) vorzuschlagen.


Die Preise im Regal sind also letztlich nicht ausschlaggebend (wenn man juristisch spitzfindig sein will).
Das kann aber auch von Vorteil sein: Stellen wir uns vor, ein Kunde will Bananen kaufen. Er sieht, dass für die Bananen ein Preis von 1,09 EUR pro Kilo angegeben ist - und er sieht auch, dass die ausliegenden Bananen überreif sind und wohl nur noch wenige Tage gut sind. Er fragt die Kassiererin, ob er die Bananen für 99 Cent das Kilo kaufen kann (immerhin müsste das Kaufhaus die Bananen sehr bald wegschmeißen, wenn sie keiner kauft). Die Kassiererin kann dem zustimmen (oder auch ablehnen).
Wenn sie zustimmt, gilt der ursprünglich angegebene Preis von 1,09 EUR natürlcih nicht mehr - aber das ist rechtlich kein Problem: Das Vertragsangebot (das für einen Vertrag unbedingt nötig ist) kommt erst vom Kunden, nicht durch die Preistafel zustande.


Um auf die ursprüngliche Frage beim Tengelmann-Einkauf zurückzukommen: Der Preis im Regal hat nicht gestimmt - das ist wohl ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung und damit eine Ordnungswidrigkeit. Gleichzeitig war es zivilrechtlich in Ordnung, dass an der Kasse nicht der eigentlich angegebene Preis akzeptiert worden ist - denn der eigentlich angegebene Preis ist, rechtlich gesehen, kein Vertragsangebot.
Harry_Haller - 10. Sep '08
wow! wenn mir das im studium einer mal so erklärt hätte, wäre privatrecht sicherlich nicht eine meiner schlechtesten klausuren gewesen... ;-)
Methos - 10. Sep '08
kaufen würd ich da trotzdem nix mehr .... ;-)
Socke - 10. Sep '08
Danke für die Mühe...
man lernt ja nie aus. :-)
Gorz - 10. Sep '08
Das war ein prima Beitrag, vielen Dank !
Cheliops - 10. Sep '08
Das erste Semester kannst du glatt überspringen ... Das zweite, wenn du Recherchen machst, was eine Verfügung ist ;-)
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