Kommentierte Spiele
Zerstörung der Rochadestellung (II): WIM schlägt GM
Vabanque - 17. Apr '25
Diese Folge ist ebenso auch ein Beitrag zum Frauenschach bzw. zu den Errungenschaften weiblicher Schachspielerinnen. Beim A-Open in Dortmund 1997 besiegte die damalige Internationale Meisterin der Frauen (WIM) Jordanka Mičić (mittlerweile Jordanka Belić) den renommierten lettischen GM Aivars Gipslis, der die junge serbisch-deutsche Frau wohl sträflich unterschätzt hatte, denn großmeisterlich hat er in dieser Partie nun nicht gerade agiert. Er nahm leichtfertig ein Figurenopfer am Damenflügel an und ließ seinen Königsflügel schutzlos, den ihm Micic mit zwei weiteren Figurenopfern eindrucksvoll zerstörte. 2000 bekam sie dann den Titel Großmeisterin der Frauen (WGM) zuerkannt.































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Jordanka Mičić Aivars Gipslis A-Open | Dortmund | 1997 | B01 | 1:0
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g

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1. e4 d5 2. xd5 Sf6 3. d4 Sxd5 4. Le2 g6 5. Sf3 Lg7 6. O-O O-O 7. Te1 Sc6 8. c4 Sb6 9. d5 Sa5 10. Sa3 c6 11. Ld2!? Ein Bauernopfer mit dem Zweck, den schwarzen Lg7 von der langen Diagonalen abzulenken. Da der Sa5 hängt, ist die Annahme erzwungen. Lxb2 12. Lxa5 Lxa3 13. Dd4 Nun steht der La3 abseits, die weiße Dame ist gut im Spiel und es droht c5 mit Gewinn des Sb6. Dd6 14. Tad1 Dc5 Schwarz dachte wohl, mit diesem Zug den Damentausch (bei einem Mehrbauern!) herbeiführen zu können, da der La5 nun hängt. Aber Weiß opfert ihn einfach! 15. Dh4!? Dxa5? Die Annahme des Figurenopfers ist viel zu optimistisch. Schwarz wird dann alle Figuren auf der falschen Brettseite haben, wo sie nicht an der Verteidigung seines Königs mitwirken können. Der lettische GM nahm offenbar die deutsch-serbische WIM (und spätere WGM) nicht so ganz ernst. Er sollte es bald zu bereuen haben.
f6! hätte den weißen Springer von g5 abgehalten.
16. Sg5 h5 17. Lxh5! Das zweite Figurenopfer reißt ein Loch in das bereits wacklige Geländer des Balkons, auf dem der schwarze Herrscher steht. xh5? Vermutlich glaubte der lettische GM an eine weiße Verrechnung, sonst hätte er den Läufer bestimmt nicht genommen. Nach dem besseren Kg7 mit der Option Th8 wäre es recht kompliziert geworden. Es hätte 18. Lxg6! folgen können (witzig, wie hartnäckig sich der Läufer zum Opfer anbietet!), z.B. Th8 (schlägt scheinbar den Angriff ab) 19. Lh7! f6 (wieder scheint Weiß in Verlegenheit) 20. Te3! (das Eingreifen des Turms ist entscheidend) xg5 21. Dxg5+ Kf8 22. Lg6 (schneidet dem schwarzen König den Weg ab) und die weißen Drohungen Df4+ und Tf3+ machen Schwarz den Garaus.
18. Se6!! Räumt g5, sperrt die Diagonale des Lc8 und droht Dg5+ nebst Dg7#. Lxe6 Danach wird der schwarze König in typischer Weie an die Randlinie gedrängt und durch einen aufrückenden weißen Turm letztlich dort mattgesetzt. Aber Schwarz war bereits völlig verloren. xe6 würde zwar das schnelle Matt vermeiden, aber nach 19. Dg5+ Kf7 (flieht er an den Rand, passiert dasselbe wie in der Partie) 20. xe6+ Lxe6 21. Dxa5 die Dame verlieren, wobei Weiß wegen der ungeschützten Lage des schwarzen Königs noch eine Leichtfigur dazugewinnt, z.B. Sxc4 (es hing ja der La3) 22. Dxh5+ Kf6 23. Dh6+ und der Le6 fällt.
19. Dg5+ Kh7 20. Dxh5+ Kg8 21. Dg5+ Kh7 22. Te4 und Schwarz kann das Matt durch Th4# nur noch verzögern, nicht aber verhindern. Daher gab er hier auf.