Kommentierte Spiele
Brillante Mattangriffe (VIII): Sämisch - Engel 1928
Vabanque - 25. Okt '15
Über GM Fritz Sämisch (1896-1975) sind den meisten Schachfreunden drei Fakten bekannt:
1) Er verlor die 'Unsterbliche Zugzwangpartie' gegen Nimzowitsch.
2) Er verlor häufig durch Zeitüberschreitung.
3) Nach ihm sind scharfe, noch heute populäre Eröffnungssystem im Nimzoinder (1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sc3 Lb4 4. a3) und im Königsinder (1. d4 Sf6 2. c4 g6 3. Sc3 d6 4. e4 Lg7 5. f3) benannt. Diese Systeme zeigen uns gleichzeitig auch Sämischs bevorzugte Spielweise auf: In einer geschlossenen Stellung zuerst ein Bauernzentrum aufbauen und festigen, um hinter seinem Schutz möglichst ungestört die Figuren zu einem Angriff auf den gegnerischen König formieren zu können. Sämisch war ein Angriffsspieler auf stategisch-positioneller Grundlage. Dass dieses Konzept zumindest dann in durchschlagender Weise aufgeht, wenn der Gegner ungenau spielt, zeigt die folgende Partie, in der Sämisch uns sein System in der Nimzoindischen Verteidigung vorführt.































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1) Er verlor die 'Unsterbliche Zugzwangpartie' gegen Nimzowitsch.
2) Er verlor häufig durch Zeitüberschreitung.
3) Nach ihm sind scharfe, noch heute populäre Eröffnungssystem im Nimzoinder (1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sc3 Lb4 4. a3) und im Königsinder (1. d4 Sf6 2. c4 g6 3. Sc3 d6 4. e4 Lg7 5. f3) benannt. Diese Systeme zeigen uns gleichzeitig auch Sämischs bevorzugte Spielweise auf: In einer geschlossenen Stellung zuerst ein Bauernzentrum aufbauen und festigen, um hinter seinem Schutz möglichst ungestört die Figuren zu einem Angriff auf den gegnerischen König formieren zu können. Sämisch war ein Angriffsspieler auf stategisch-positioneller Grundlage. Dass dieses Konzept zumindest dann in durchschlagender Weise aufgeht, wenn der Gegner ungenau spielt, zeigt die folgende Partie, in der Sämisch uns sein System in der Nimzoindischen Verteidigung vorführt.
Saemisch, Fritz Engel, Jindrich Brno | Brno | 1 | 1928.09.07 | E24 | 1:0
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1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sc3 Lb4 4. a3 Das erwähnte von Sämisch eingeführte System. Weiß macht keine Anstalten, den Doppelbauern verhindern zu wollen. Er befreit sich sofort von der lästigen Fesselung und ist der Auffassung, dass der entstehende Doppelbauer sein Zentrum stärkt. Das Läuferpaar, das Weiß außerdem erhält, ist in dieser geschlossenen Stellung von untergeordneter Bedeutung. Gerade der weißfeldrige Läufer von Weiß wird lange hinter der eigenen Bauernformation eingeschlossen bleiben. Lxc3+ 5. xc3 d6 6. Dc2 De7 7. e4 e5 8. f3 Wie ich im Vorspann schrieb, ist dies typisch für Sämisch: Er festigt sein Bauernzentrum maximal, um dahinter seinen Aufbau formieren zu können. O-O 9. Ld3 Sc6 Weiß wird hier nicht seinen d-Bauern nach d5 vorstoßen, so lange er nicht dazu gezwungen ist. Denn danach erhielte Schwarz das Feld c5 für seine Figuren, da es wegen des Doppelbauern ja keinen weißen b- Bauern mehr gibt, der z.B. einen schwarzen Springer auf c5 vertreiben könnte. 10. Se2 Se8 Dieser Zug gehört zu dem schwarzen Plan, den weißen Doppelbauern auf c4 anzugreifen. Aber vielleicht wäre zu demselben Zweck Sd7 besser gewesen. Dort stünde der schwarze Springer nicht so bewegungsunfähig wie in der Partie. 11. O-O b6 12. Le3 Sa5 13. Sg3 Le6 Schwarz möchte d4-d5 provozieren, um das Feld c5 in die Hand zu bekommen. Weiß geht zunächst darauf nicht ein, sondern deckt den angegriffenden Bauern c4 auf andere Weise. 14. De2 f6 Die schwarze Dame soll nach f7 geführt werden, um c4 noch ein weiteres Mal unter Beschuss zu nehmen. 15. f4! Gewisse Parallelen zur Angriffsstrategie aus der Partie Carlsen - Harestad (Folge VII) lassen sich nicht leugnen! Das beweist aber nur, dass Schachstrategie bis zu einem gewissen Grad doch erlernbar ist, indem man sich solche typischen Muster merkt. Auch hier wird sich Schwarz zunächst gefreut haben, denn jetzt kann er d4-d5 erzwingen, wonach bei Weiß nicht nur das Feld c5, sondern auch noch das Feld e5 scheinbar schwach wird! Aber wie auch Carlsen in der erwähnten Partie, so hat hier Sämisch tiefer in die Stellung geblickt als sein Gegner, und längst gesehen, dass Schwarz mit der Herrschaft über e5 nichts wird anfangen können. Die Beweglichkeit der weißen Figuren, insbesondere des Turms, der auf f4 erscheint, wird schwerer wiegen. xf4 16. Txf4 Df7 Alles nach dem erwähnten Plan. 17. d5 Jetzt hat Weiß keine andere Deckung von c4 mehr. Ld7 18. Taf1 Sb7 Steuert das frei gewordene Feld c5 an. Auf a5 hat der Springer ohnehin keine Aussichten mehr. 19. Sf5 Weiß hat auf alle Fälle die besseren Felder für seine Figuren. Sc5 Auch wenn der Springer hier getauscht werden kann, und dann doch wieder ein schwarzer Bauer das Feld besetzt - eine bessere Verwendung für den Springer gibt es trotzdem nicht. 20. Lxc5 xc5? Hier bestand die letzte Chance für Schwarz: Er musste auf f5 zwischentauschen und damit den gefährlichen Springer beseitigen. Aber den nächsten weißen Zug, der den Ld3 zum Leben erwecken wird, hat er übersehen. 21. e5!! Wieder eine erstaunliche Parallele zur Partie Carlsen-Harestad! Der 'schlechte' (d.h. bisher hinter der eigenen Bauernkette eingeschlossene) Läufer wird ein Monster. Ich bin sicher, dass Sämisch hier schon alles bis zum Schluss ausgerechnet hat, was aber für einen GM nur eine Fingerübung ist. xe5 Jetzt ging der Zwischentausch auf f5 schon nicht mehr: nach Lxf5 Lxf5 würde Le6 mit Damengewinn drohen, so dass Schwarz nicht mehr zum Schlagen auf e5 käme. 22. Th4 Nun erkennt man, wie übel die schwarzen Figuren stehen: Nach Lxf5 Lxf5 würde neben der tödlichen Drohung gegen h7 auch wieder Le6 drohen, und g6 geht nicht wegen Sh6+. Weiß droht aber Txh7! Kxh7 Sd6+ mit Damengewinn. h6 Es gibt nichts anderes, auch wenn Schwarz die weiße Antwort sehr wahrscheinlich gesehen hat. 23. Txh6 Natürlich! Wegen der Springergabel kann Schwarz nicht schlagen. Und auf den Zwischentausch auf f5 würde genau wie vorher der Damengewinn mittels Le6 drohen. Sd6 Ermöglicht ein schönes Mattfinale. 24. Se7+! Der 'starke' Springer muss sein Leben lassen, damit der Ld3 freie Bahn hat. Dxe7 25. Th8+! Sehr hübsch. Die weiße Dame wird nun h5 mit Tempo betreten können. Kxh8 Oder Kf7 26. Lg6+ Kxg6 27. Dh5#. 26. Dh5+ Schwarz gab auf: nach Kg8 wird es in 2 Zügen matt durch Dh7+ (Lh7+ nebst Lg6+ und Dh7# dauert einen Zug länger) nebst Lg6#. Erstaunlich schnell wurde Schwarz aus einer scheinbar ziemlich blockierten Stellung heraus überwältigt.
cutter - 25. Okt '15
Es ist schlicht ein Vergnügen, die Partien mit deinen Kommentaren nachzuspielen! Danke!
Vabanque - 25. Okt '15
Danke, aber ich selber spiele die Sämisch-Variante zwar im Königsinder, aber nicht im Nimzo-Inder, so wie hier. Ich kann also die beiderseitigen Pläne nur rudimentär umschreiben.
Wenn sich ein Kenner der Variante hier äußern würde, würde ich auf alle Fälle noch etwas dazulernen!
Wenn sich ein Kenner der Variante hier äußern würde, würde ich auf alle Fälle noch etwas dazulernen!
Kellerdrache - 26. Okt '15
Wunderbare Partie. Das hat der Fritz wirklich schön gemacht. Sowohl taktisch als auch strategisch eine Klasse Partie.
Da ein Schachkumpel von mir regelmäßig Nimzoindisch spielt (oder Benoni wenn Sc3 auch sich warten lässt) hab ich schon häufiger von der Sämisch-Variante gehört. Nach Meinung meines Bekannten sollte man das Zentrum aggressiv und baldigst angreifen (z.B. mit c5). Das Zentrum sei zwar optisch solide, aber die beiden c-Bauern gäben gute Angriffsziele ab.
Trotzdem scheint es ja spielbar zu sein, denn auch in GM-Kreisen wird es ja kontinuierlich gespielt.
Da ein Schachkumpel von mir regelmäßig Nimzoindisch spielt (oder Benoni wenn Sc3 auch sich warten lässt) hab ich schon häufiger von der Sämisch-Variante gehört. Nach Meinung meines Bekannten sollte man das Zentrum aggressiv und baldigst angreifen (z.B. mit c5). Das Zentrum sei zwar optisch solide, aber die beiden c-Bauern gäben gute Angriffsziele ab.
Trotzdem scheint es ja spielbar zu sein, denn auch in GM-Kreisen wird es ja kontinuierlich gespielt.
Weniger - 26. Okt '15
Ich möchte mich unbedingt dem Kommentar von "cutter" anschließen !
Großes Dankeschön vom Weniger,
der ansonsten weniger schreibt, aber immer wieder gern hier reinschaut :-))
Großes Dankeschön vom Weniger,
der ansonsten weniger schreibt, aber immer wieder gern hier reinschaut :-))
koeppi - 31. Okt '15
Ich weiß schon, warum mir Nimzo-Indisch ein Gräuel ist... eben vor der Sämisch-Variante habe ich Respekt... und die Partie zeigt wieder einmal die Stärken eines starken Zentrums...
Die Kommentierung, wie immer, ausführlich, aber kurzweilig und auf den Punkt gebracht...
Die Kommentierung, wie immer, ausführlich, aber kurzweilig und auf den Punkt gebracht...