Kommentierte Spiele
Große Partien ... (X): Leko - Short 2005
Vabanque - 03. Jan '14
Während es in allen bisher in dieser Reihe vorgestellten Partien doch immer ziemlich 'gekracht' hat, ist dies jetzt, abgesehen von dem kleinen 'Knalleffekt' am Schluss, insgesamt eine ziemlich stille Partie: eine Positionspartie eben. Trotzdem ist sie nicht minder faszinierend, wie ich finde. Leko überspielt hier den ehemaligen englischen WM-Herausforderer mit feinsinnigen strategischen Manövern so überzeugend, dass man an einen großen Spielstärkeunterschied zu glauben geneigt wäre, wüsste man nicht, um wen es sich bei den Spielern jeweils handelt.
Übrigens: bei den nächsten Partien dieser Reihe wird das Brett wieder in Flammen stehen, dann kommen nämlich Shirov und Judit Polgar zum Zug!
Aber erstmal Ring frei für eine Runde 'sauberes' Schach ;)
(Da versehentlich zweimal Runde XIII erfolgt war, kommt jetzt rechtmäßigerweise Runde X.)































PGN anzeigen
Übrigens: bei den nächsten Partien dieser Reihe wird das Brett wieder in Flammen stehen, dann kommen nämlich Shirov und Judit Polgar zum Zug!
Aber erstmal Ring frei für eine Runde 'sauberes' Schach ;)
(Da versehentlich zweimal Runde XIII erfolgt war, kommt jetzt rechtmäßigerweise Runde X.)
Peter Leko Nigel Short Corus Chess Tournament | Wijk aan Zee NED | 9 | 2005.01.25 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 a6 4. La4 Sf6 5. O-O Le7 6. Te1 b5 7. Lb3 d6 Die geschlossene Variante der Spanischen Partie. Schwarz plant hier nicht, wie in der Partie Kramnik-Leko, das Marshall-Gambit, das nach O-O 8. c3 d5 entsteht. 8. c3 O-O 9. h3 Spielt Weiß sofort d4, so ist Lg4 lästig. Sb8 Dieser Rückzug mutet auf den ersten Blick bizarr an, aber der schwarze Springer möchte seinen e-Bauern lieber von d7 aus stützen, wo er den c-Bauern und auch den späteren Lb7 nicht mehr verstellt. 10. d4 Sbd7 11. Sbd2 Lb7 12. Lc2 Bevor der weiße Damenspringer die der spanischen Eröffnung typische Reise d2-f1-g3 mit Blick nach f5 antreten kann, muss der e-Bauer noch einmal gedeckt werden. Te8 Schwarz ist nach Lf8 und eventuellem exd4 an weiterem Beschuss des weißen e-Bauern interessiert. 13. Sf1 Lf8 14. Sg3 g6 Es droht zwar noch nicht Sf5 wegen der erwähnten Möglichkeit exd4 mit Bedrohung des weißen e-Bauern, aber Schwarz möchte seine Königsburg vorsorglich dagegen absichern und auch seinen Lf8 auf ein potenziell aktiveres Feld führen. 15. b3 Weiß will d5 spielen und nach der schwarzen Antwort c7-c6 seinen d-Bauern mit c3-c4 stützen können. Lg7 16. d5 De7 17. c4 c6 18. Le3! Wie man sehen wird, spielt Weiß in der Folge konsequent auf Kontrolle des Feldes c5. Tec8 19. Tc1! Dieser vorausschauende Zug dient ebenfalls der späteren Kontrolle von c5. a5 Dieser Bauer erweist sich später als Schwäche, aber Schwarz plant hier, seinen weißfeldrigen Läufer ggf. nach a6 zu führen, weil er auf b7 immer nur auf Granit, nämlich auf die weiße Bauernkette e4-d5 beißen wird. 20. Dd2 xc4 21. xc4 xd5 22. xd5 Sc5 23. Ld3 Unerwartet, aber logisch. Weiß lässt seinen weißfeldrigen Läufer, der ohnehin nur von der eigenen Bauernkette e4-d5 behindert wird, leichten Herzens tauschen bzw. möchte ihn andernfalls ggf. über b5 aktivieren. h5? Aber das ist mit Sicherheit ganz schlecht. Ich frage mich ernsthaft, welchen Plan Nigel Short mit diesem Plan verfolgt hat. Angeblich spielte er diesen Zug obendrein auch noch ganz schnell. Welche Kompensation hat er sich damit für die entstehende Schwächung seines Königsflügels vorgestellt? Das könnte er uns wohl nur selber sagen. Nach der logischen Antwort 23... Sxd3 plante Leko den Zwischentausch 24. Txc8+, denn nach 24. Dxd3 hätte Schwarz die raffinierte taktische Ausrede 24... Txc1 25. Txc1 Lxd5! 26. exd5 e4 mit Ausgleich. Nach 24... Txc8 25. Dxd3 ginge nun Lxd5?? nicht mehr, weil nach 26. exd5 e4 27. Da6 die weiße Dame der Bauerngabel mit Angriff auf den ungedeckten Turm c8 entkäme. Lekos Analyse wies zwar nach, dass Schwarz seinen Bauern a5 dann auf die Dauer nicht halten könnte, doch ist es keineswegs sicher, dass Schwarz damit wirklich in Nachteil geraten wäre. Vermutlich könnte er den Bauern mit gutem Figurenspiel opfern. 24. Lxc5 Damit verschafft sich Weiß einen gedeckten Freibauern. (Wir sehen in dieser Reihe nun schon zum drittenmal einen freien weißen d-Bauern, der eine entscheidende Rolle spielt!) Natürlich hat Short das auch vorausgesehen, er glaubt aber, den Bauern verlässlich blockieren zu können. Übrigens bekommt Schwarz durch den Abtausch ebenfalls einen Freibauern, aber sein Bauer c5 wird sich im Gegensatz zu dem weißen d-Bauern als sehr schwach erweisen. xc5 25. Dg5! Für diesen Zug benötigte Leko 20 Minuten, obwohl er die Möglichkeit sofort sah. Aber zunächst wollte er ihn spielen, um den schwarzen Bauern e5 zu bedrohen, und fragte sich gerade, wie Schwarz den eigentlich noch decken wolle (denn ein Wegzug des Sf6, wonach der Lg7 den Bauern e5 schützen würde, ließe ja die De7 im Stich!), als er erkannte, dass der Bauer e5 gar nicht wirklich hängt, da er taktisch gedeckt ist (was wir gleich noch sehen werden). Dann dachte Leko eine Weile über den logisch erscheinenden Plan Lb5 nach, um den Sf6, der über e8 zum Feld d6 strebt, um dort den weißen Freibauern zu blockieren, gleich auf e8 abtauschen zu können. Dabei wurde ihm aber klar, dass damit nicht allzu viel zu erreichen wäre, weil Schwarz den c-Bauern nach c4 stellen und ihn dort mit La6 stützen kann, um dann seinen schwarzfeldrigen Läufer entweder auf der Diagonalen f8-a3 oder sogar auf der Diagonalen h6-c1 zu aktivieren. Der Zug h7-h5 von Schwarz würde sich dann plötzlich sogar als gut erweisen (indem Schwarz Lh6 mit Kh7 vorbereiten könnte)! Nein, das konnte nicht sein. Also spielte Leko doch Dg5, aber nicht um einen Bauern zu erobern, sondern um positionellen Druck auszuüben. Ich habe diese Überlegung Lekos deswegen so ausführlich hier wiedergegeben, um zu zeigen, welcher Art die Gedankengänge sein können, die einem Top-GM während der Zugfindung am Brett durch den Kopf gehen. Tc7 Nachdem Short seinen positionellen Fehler h7-h5 so rasch gespielt hatte, versank er nun in langes Nachdenken. Schwarz deckt seine Dame, damit der Sf6 wieder ziehen kann. Sein Plan ist ja immer noch Sf6-e8-d6 mit idealer Blockade des weißen Freibauern. Wie bereits erwähnt, ist der Bauer e5 indirekt gedeckt. Egal ob Weiß mit dem Springer oder mit der Dame auf e5 schlägt, immer kommt Sxd5! mit sofortigem Rückgewinn des Bauern unter günstigen Umständen, da dann beide Läufer von Schwarz aktiviert sind. 26. Sf1 Der Springer hat auf g3 keine lohnende Aufgabe mehr. Er wird jetzt über f1 und d2 nach c4 geführt, wo er den Freibauern unterstützen kann. Schwarz kann jetzt übrigens immer noch nicht Se8 spielen, weil nach dem Damentausch der Bauer c5 hinge. Tac8 27. S1d2 Se8 Endlich geht es, aber das ist genau einen Zug zu spät, wie Lekos Springermanöver nachweist. 28. Dxe7 Txe7 29. Sc4 Wieder kommt der schwarze Springer nicht auf das begehrte Feld d6! Lekos exaktes Timing ist bewundernswert. Zudem hängt auch noch der Bauer a5, und zu allem Überfluss droht der weiße Freibauer jetzt auch schon gelegentlich nach d6 vorzustoßen. La6 Mit dieser Fesselung deckt Schwarz den Bauern a5 indirekt, und droht vor allem den Sc4 abzutauschen, wonach sich der schwarze Springer endlich beruhigt auf d6 niederlassen könnte (auf Sfd2, um mit einem Springer auf c4 wiedernehmen zu können, könnte ja Lh6 folgen!). Erlangt Schwarz jetzt doch noch eine haltbare Position? Nein, Leko hat alles berechnet. Jetzt tritt die fein geführte Positionspartie in eine nicht minder feine taktische Phase über. Lekos Spiel ist von gnadenloser Exaktheit. Capablanca und Fischer hätten an dieser Partie mit Sicherheit ihre Freude gehabt. 30. Sxe5! Lxe5 31. Sxe5 Das sieht ja soweit recht simpel aus, aber Leko musste den folgenden Verwirrungsversuch von Schwarz von vornherein einberechnet haben: c4 Mit Bauernvorstößen, selbst auf ein ungedecktes Feld, muss immer gerechnet werden! Schlägt Weiß nämlich jetzt mit dem Springer, dann kommt Tec7! und der Springer hängt in der Fesselung. Weiß würde dann eine Figur verlieren (wenn auch nicht die Partie; wegen seiner starken Bauern hätte er immer noch ein Remis). 32. Lxc4 Die Pointe der ganzen Abwicklung ist nämlich, dass nach Lxc4 33. Txc4! (Sxc4 würde wieder eine Figur einbüßen) der schwarze Tc8 hängt und Schwarz daher wieder nicht auf e5 nehmen kann. Das alles musste Leko bei 30. Sfxe5! einberechnet haben. Sehr wahrscheinlich hat er es aber sogar schon bei 26. Sf1! zumindest erfühlt, denn das Springermanöver allein hätte ohne die nachfolgende Möglichkeit der taktischen Abwicklung keinen klaren Vorteil gebracht. Wir sehen hier, wie bei der erfolgreichen Durchführung eines Plans Strategie und Taktik Hand in Hand gehen, und ein Spieler daher beides in sehr hohem Maße beherrschen sollte. Leko ist natürlich vornehmlich als ein strategischer (spricht: 'langweiliger') Spieler bekannt. Dass er jedoch auch funkelnde Mattwendungen aus dem Hut zu zaubern vermag, haben wir schon in seiner Partie gegen Kramnik gesehen. Die vorliegende Partie zeigt aber (hoffentlich), dass auch Positionsschach spannend sein kann! Txe5 33. Lxa6 Txc1 34. Txc1 Txe4 So ist Schwarz doch zumindest mit nur einem einzigen Minusbauern davongekommen, und er hat den weißen Freibauern seiner Stütze beraubt. Diese Stellung musste Leko vor seinem geistigen Auge sehen, als er 30. Sfxe5 zog, und erkennen, dass sie klar gewonnen für Weiß ist. Für einen GM ist das aber eine Selbstverständlichkeit. 35. f3! Wieder sehr schön gespielt. Der schwarze Turm darf die e-Linie nicht verlassen, weil sonst 36. Tc8 Kf8 37. Lb5 (oder, falls der schwarze Turm nach b4 gegangen ist, zuerst d5-d6) sofort entscheidet. Von den möglichen Feldern auf der e-Linie ist e3 nur ein Tempoverlust wegen Kf2, also bleiben noch Te7 und Te5 übrig. Te5 'Natürlich' geht er aufs falsche Feld und ermöglicht dem Weißen damit eine sehr hübsche Schlusswendung. Aber Te7 hätte das Leiden des Schwarzen nur verlängert. 36. Tc5! Deckt anscheinend nur den d-Bauern und greift auch noch den a-Bauern an. h4 Der letzte Fehler. Vielleicht auch ein Fehler in der Partienotation, denn a4 scheint zumindest in Hinblick auf die Rettung des angegriffenen a-Bauern logischer. Aber die schwarze Stellung ist sowieso schon jenseits von Gut und Böse. 37. d6! Ein hübscher Schlusszug: Weiß lässt gleichzeitig seinen Turm c5 und seinen Freibauern d6 einstehen. Aber keiner der beiden Steine ist zu nehmen: auf Sxd6 hängt der Te5, während auf Txc5 38. d7 der Bauer entweder auf d8 oder mit Schlagen auf e8 zur Dame geht. Somit bleibt nur Te1+ 38. Kf2 Td1, aber dann gewinnt wieder 39. Tc8 Kf8 40. Lb5. Ein lehrbuchreifes Motiv als Abschluss einer Modellpartie.
cutter - 03. Jan '14
Toll!
Du könntest ein kleines Büchlein herausgeben. Sehr vergnüglich in jeder Hinsicht!
Grüße cutter
Du könntest ein kleines Büchlein herausgeben. Sehr vergnüglich in jeder Hinsicht!
Grüße cutter
Vabanque - 03. Jan '14
Am besten mit allen Schreibfehlern :-p
Im Ernst, wer verlegt so ein Buch? Zugkräftig sind doch nur Schachbücher mit Themen wie 'Wie spielt man erfolgreich Sizilianisch', 'Wie schlägt man überlegene Gegner?', 'Wie verbessere ich mein Schach in 7 Tagen?' oder halt Bücher für Anfänger.
Um allein nur schöne Partien anzuschauen und unterhaltsame Kommentare zu lesen, dafür kauft keiner ein Buch. Zumal, wenn es dessen Inhalt schon im Internet gibt :)
Im Ernst, wer verlegt so ein Buch? Zugkräftig sind doch nur Schachbücher mit Themen wie 'Wie spielt man erfolgreich Sizilianisch', 'Wie schlägt man überlegene Gegner?', 'Wie verbessere ich mein Schach in 7 Tagen?' oder halt Bücher für Anfänger.
Um allein nur schöne Partien anzuschauen und unterhaltsame Kommentare zu lesen, dafür kauft keiner ein Buch. Zumal, wenn es dessen Inhalt schon im Internet gibt :)
cutter - 03. Jan '14
Da hast du natürlich Recht.
Man muss es selbst verlegen. Da gibt es Angebote im Internet um Bücher zu machen. z.B. als besonderes Geschenk für Freunde oder Incentive im Schachclub...
Grüße cutter
Man muss es selbst verlegen. Da gibt es Angebote im Internet um Bücher zu machen. z.B. als besonderes Geschenk für Freunde oder Incentive im Schachclub...
Grüße cutter
Vabanque - 04. Jan '14
Mal schauen. Ich mache das momentan einfach zum Spaß, ohne besondere Absicht, einfach weil mich diese Partien begeistern. Und wenn der eine oder andere von dieser Begeisterung angesteckt wird, umso besser.
Ab nächste Woche werden meine Beiträge sowieso wieder sehr spärlich fließen, denn da geht für mich die Tretmühle wieder an, und dann ist Freizeit klein geschrieben.
Deine diversen Beiträge auch im Hauptforum haben mich übrigens aufhorchen lassen; du bist doch nicht etwa auch Lehrer für Mathe/Physik?
Ab nächste Woche werden meine Beiträge sowieso wieder sehr spärlich fließen, denn da geht für mich die Tretmühle wieder an, und dann ist Freizeit klein geschrieben.
Deine diversen Beiträge auch im Hauptforum haben mich übrigens aufhorchen lassen; du bist doch nicht etwa auch Lehrer für Mathe/Physik?
cutter - 04. Jan '14
... waren meine Lieblingsfächer.
Grüße cutter
Grüße cutter
Vabanque - 04. Jan '14
Das ist eine diplomatische Antwort :)
cutter - 04. Jan '14
Eher eine ehrliche.
Mit besonderem Interesse für Astronomie und Relativitätstheorie. ..
Grüße cutter
Mit besonderem Interesse für Astronomie und Relativitätstheorie. ..
Grüße cutter
Vabanque - 05. Jan '14
Ganz kurz dachte ich schon, du wärst vielleicht mein Kollege, und zwar der, der den Schreibtisch 2 Plätze links von mir hat (ums Eck, am Fenster). Aber das wäre wohl ein allzu großer Zufall gewesen.