Kommentierte Spiele
Glanzpartien unbekannter Spieler (XXXVII): Yasseen-Lobron
Vabanque - 14. Aug '16
Da Kellerdrache offenbar mit der Fortführung der 'Verlustpartien der Weltmeister' noch zögert, kann ich in der Zwischenzeit mal eine Reihe weiterführen, die ich lange vernachlässigt habe.
Folgende Partie hat insofern sogar historische Bedeutung, als es sich dabei um den ersten Sieg eines arabischen Spielers über einen GM handelt. Gleichzeitig ereignete sich dieser Triumph beim ersten internationalen Schachturnier, das in der arabischen Welt statt fand, nämlich 1983 in Dubai. Der Sieger der Partie, der Ägypter Aly Yasseen (geb. 1951), der später den IM-Titel erwarb und heute als Veteran des ägyptischen Schachs gilt, zerlegt hier den damaligen Jungstar Eric Lobron (dem erst ein Jahr zuvor der GM-Titel zugesprochen worden war) auf sehr überzeugende Weise mit einer eleganten Opferserie. Yasseen muss ein erstaunliches Naturtalent sein, denn er erlernte die Schachregeln erst im Alter von 20 Jahren und beherrschte noch zum Zeitpunkt dieser Partie keine Eröffnungstheorie (es gab wohl auch damals in der arabischen Welt kaum Zugang zu Schachbüchern).































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Folgende Partie hat insofern sogar historische Bedeutung, als es sich dabei um den ersten Sieg eines arabischen Spielers über einen GM handelt. Gleichzeitig ereignete sich dieser Triumph beim ersten internationalen Schachturnier, das in der arabischen Welt statt fand, nämlich 1983 in Dubai. Der Sieger der Partie, der Ägypter Aly Yasseen (geb. 1951), der später den IM-Titel erwarb und heute als Veteran des ägyptischen Schachs gilt, zerlegt hier den damaligen Jungstar Eric Lobron (dem erst ein Jahr zuvor der GM-Titel zugesprochen worden war) auf sehr überzeugende Weise mit einer eleganten Opferserie. Yasseen muss ein erstaunliches Naturtalent sein, denn er erlernte die Schachregeln erst im Alter von 20 Jahren und beherrschte noch zum Zeitpunkt dieser Partie keine Eröffnungstheorie (es gab wohl auch damals in der arabischen Welt kaum Zugang zu Schachbüchern).
Yasseen, Aly Lobron, Eric Dubai UAE | Dubai UAE | 1983 | B06 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. e4 g6 2. d4 Lg7 3. c3 d6 Der erste psychologische Fehler des GM besteht hier eigentlich schon darin, ein Abspiel zu wählen, in dem sein Gegner auch ohne Kenntnis der Eröffnungstheorie mit Weiß leicht eine gute Stellung aufbauen kann. 4. f4 Sf6 5. Ld3 O-O 6. Sf3 c5 7. xc5 xc5 Hier war das Bauernopfer Sbd7!? interessant. So wie Lobron spielt, räumt er Yasseen schon früh zu große Chancen ein. Dieser wird sie allerdings auch in äußerst energischer Weise zu nutzen wissen. 8. e5 Sd5 9. Le4 Sb6 10. O-O Dc7?! Damentausch wäre hier wohl besser gewesen, aber dann hätte Schwarz in einem leicht schlechter stehenden Endspiel kaum Aussichten auf mehr als Remis gehabt, und es ist natürlich klar, dass Lobron gegen einen gänzlich unbeschriebenen Wüstensohn auch mit Schwarz auf Gewinn spielt! 11. De2 Sc6 12. Sa3 Td8?! Dieser Turm wird als Verteidiger am Königsflügel bald fehlen. Lg4 sieht natürlicher aus; für den Läufer hat Schwarz in dieser Stellung doch ohnehin keine bessere Verwendung als den Tausch auf f3. Andererseits wäre dies ein Eingeständnis gewesen, dass Schwarz bereits schlechter steht. 13. f5!? Yasseen geht aufs Ganze. Er kann hier kaum die ganzen Konsequenzen der verschiedenen Möglichkeiten nach Sxe5, Lxf5 und gxf5 ausgerechnet haben; aber eines ist klar: der Zug öffnet Linien und Diagonalen für die weißen Figuren gegen den schwarzen König. Vor allem wird der Lc1 befreit, wobei die pikante Ironie der Partie darin besteht, dass dieser Läufer nie ziehen wird! xf5 14. Sb5 Dd7? Lobron musste Db8 spielen. Vermutlich schien ihm dort die Dame zu sehr im Versteck bzw. in Abseitsstellung. Von d7 aus hoffte er sie wohl an der Verteidigung des Königsflügels teilnehmen lassen zu können; dies erweist sich jedoch als Irrtum. 15. Sg5!! xe4?
Lobron glaubte hier doch kaum ernsthaft, sich diesen Figurengewinn leisten zu können. Aber guter Rat ist bereits sehr teuer geworden; nach e6 um f5 zu decken 16. Lxc6! xc6 17. Sd6 f6 18. Sgf7 Tf8 19. Sh6+ Kh8 29. Dh5! stünde Schwarz hoffnungslos; er büßt in schlechterer Stellung die Qualität ein (nach Lxh6 30. Lxh6 dürfte sich der Tf8 ja wieder nicht rühren).
16. Dh5 Die weißen Drohungen werden schnell übermächtig. Soll Schwarz nun f7 oder h7 verteidigen? Sxe5 Um f7 zu decken. Nach h6 hätte Weiß den einzigen Gewinnweg finden müssen, der in 17. e6! xe6 18. Sf7! bestand. Jetzt ist der Weg der Dd7 nach g4 nämlich abgeschnitten und Schwarz hat keine ausreichende Verteidigung gegen Sxh6+ bzw. Lxh6 mehr. - Nach dem schwarzen Textzug ist allerdings der Schluss sogar noch effektvoller.
17. Dxh7+ Kf8 18. Sxf7! Sf3+ 19. xf3 xf3 20. Sh6! schon wieder sehr hübsch: Weiß droht Dg8#, und der Springer ist wegen Lxh6+ nebst Dg8# nicht zu nehmen. Txf3?? würde nach Dd1+ zum Remis durch Dauerschach führen. Erstaunlich, wie Yasseen immer die stärksten Angriffszüge findet! (Heutzutage würde ihn Lobron sicher des Engine- Cheatings bezichtigen.) Dd5 Nach De6 folgt ein ähnlicher Schluss. 21. Txf3+! Natürlich, denn die Dame muss ja g8 gedeckt halten und darf daher den Turm nicht nehmen. Ke8 22. Sc7+ 8 Züge lang hatte dieser Springer auf b5 auf dieses Gabelfrühstück warten müssen. Kd7 23. Sxd5 Nach dem Damengewinn war Lobron überzeugt und gab auf. Weiß gewann, ohne jemals seinen Damenflügel entwickelt zu haben; aber der Lc1 stand stets sprungbereit im Hintergrund, und er bildete die Grundlage einiger Abspiele, die nichts aufs Brett kamen. - Yasseen hat Lobrons charakteristische Überheblichkeit in glänzender Weise bestraft; Schach ist eben geeignet, uns Befriedigungen zu verschaffen, die uns im Leben (meist) versagt bleiben.
Kellerdrache - 14. Aug '16
Wagemutig und präzise. Für einen Amateur ganz erstaunlich. Vor allem Sg5 war nicht so einfach zu sehen. Ich persönlich bin ja ein grosser Fan der Reihe, weil ich hier wirklich etliche Partien kennen gelernt habe, die ich noch nicht kannte. Also gern noch mehr davon.