Kommentierte Spiele

Deutsche Schachgeschichte (VIII): Unzicker

Kellerdrache - 18. Nov '17
Wolfgang Unzicker war in den 50er und 60er Jahren der stärkste deutsche Schachspieler, spielte darüber hinaus aber noch bis in die späten 70er hochrangige Turniere mit Erfolg. Dabei ist zu beachten das Unzicker nie Profi war sondern seinen Unterhalt als Richter am Verwaltungsgericht verdiente. Damit ist er, neben Euwe, vermutlich einer der stärksten Amateure der schachlichen Neuzeit.

Neben seinen internationalen Erfolgen hat er vor allem das nationale Schach in Deutschland lange dominiert. Er ist nicht nur Rekordnationalspieler im Team des DSB sondern auch siebenmaliger deutscher Meister.

Die folgende Partie gegen Paul Keres zeigt eine schöne Kombination von strategischer Weitsicht und taktischen Feinheiten gegen einen Gegner der damals zu den Allerbesten gehörte.

Wolfgang Unzicker Paul Keres Alekhine Memorial | Moscow URS | 10 | 1956.10.24 | C99 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 a6 4. La4 Sf6 5. O-O Le7 Wolfgang Unzicker und Paul Keres, die beiden Kontrahenten in diesem Spiel haben nicht nur etliche Begegnungen am Brett gespielt sondern galten auch sonst als gute Freunde. 6. Te1 b5 7. Lb3 d6 8. c3 O-O 9. h3 Sa5 die sogenannte Tschigorin-Variante in der Spanischen Partie. Der Springer zieht mit Angriff auf den Lb3 aus der c-Linie. In der Regel wird Weiß seinen Läufer nicht gegen den Springer tauschen lassen, so das der Schwarze zu c5 kommt. 10. Lc2 c5 11. d4 Endlich kommt es zur Konfrontation im Zentrum. Die zentrale Frage ist hier meistens ob das Zentrum geöffnet werden soll und vor allem die schwierige strategische Beurteilung wer danach den größeren Vorteil davon hat. Dc7 damit der e5 nach 12.dxc5 dxc5 gedeckt bleibt. 12. Sbd2 xd4 13. xd4 Sc6 auch keine neue Frage in dieser Variante. Über welchen Weg kommt der Sa5 zurück ins Spiel
Sc4 sieht aktiver aus ist es aber nicht 14. Sxc4 Dxc4
xc4 15. d5 der c4 macht auf mich keinen gesunden Eindruck
15. Lb3 Dc7 16. Ld2 Lb7 17. Tc1 keine zwingende Variante, aber eine die zeigt, dass Weiß es hier doch einfacher hat.
14. Sb3 Lb7 15. Lg5 c1 ist natürlich ein schönes Feld fur einen weißen Turm h6 16. Lh4 Sb4 17. Lb1 da Unzicker sein Läuferpaar nicht hergeben will ist er zu diesem unschönen Zug gezwungen, der den Ta1 abschneidet Tac8 Schwarz droht über die c-Linie ins gegnerische Lager einzudringen. Z.B. 18...Sc2 19.Lxc2 Dxc2 20.Dxc2 Txc2 18. Te2 Sh5 f4 wäre natürlich ein schönes Feld für den schwarzen Springer und vor dem Abtausch der dunkelfeldrigen Läufer mus Keres auch keine Angst haben. Trotzdem wird sich dieser Zug als strategischer Fehler herausstellen. 19. a3 Unzicker klärt die Situation am Königsflügel erst mal gar nicht, sondern befragt seinerseits den vorwitzigen Springer Sc6 20. d5 Sb8 hätte Schwarz vorher Zeit gehabt die Läufer auf h4 zu tauschen könnte er den Springer stattdessen auf das bessere Feld e7 plazieren 21. Tc2 eigentlich war c2 ja als Einbruchsfeld des Schwarzen vorgesehen. Durch 18...Sh5 und die darauf folgende Vertreibung des Springers von b4 sind die weißen Figuren von ihren Verteidigungsaufgaben entlastet worden und können sich nun frei bewegen. Es ist erstaunlich wie schnell Unzicker jetzt das Heft in die Hand bekommt Dd8 22. Sa5 ein schöner Zug der durchaus einiges an Rechenarbeit verlangt. Zu erst einmal zu sehen ist, dass nach 22...Dxa5 23.Lxe7 möglich wäre. Versucht Schwarz mit Lxh5 das Problem zu lösen fällt der Lb7 mit Angriff auf die schwarze Dame Txc2
Lxh4 23. Sxb7 De7 24. Sxh4 Dxh4
Dxb7 25. Dxh5
25. Sxd6
23. Sxb7 Dc7 24. Dxc2 Dxb7 25. Lxe7 Tc8 Natürlich geht hier auch das einfach Zurücknehmen auf e7, aber Keres will mehr. Vermutlich dachte er nachdem die Dame wegzieht kann ich den Laufer ja immer noch nehmen. 26. Lxd6 Überraschung! Unzicker opfert die Dame für Turm, Leichtfigur und einen Freibauern. Txc2 27. Lxc2 f6 deckt den hängenden e5, öffnet aber auch die Diagonale a2-g8 28. Lb3 Sf4 29. Td1 Der Freibauer auf d5 ist Unzickers großer Trumpf, vor allem in Verbindung mit dem Läuferpaar. Also eiserne Regel - der Turm gehört hinter die Freibauern Sd7 30. Td2 jetzt droht z.B. auch Td2-c2-c7 Sb6 31. Lc7 Keres hatte vermutlich eher mit Tc2 gerechnet. Der Springer will nach c4 um die Diagonale des Lb3 zu unterbrechen. Die Partie entwickelt sich flott zu einem Lehrbeispiel für die Kraft des Läuferpaars Sc4
Dxc7 wäre ein Patzer wegen... 32. d6+
32. d6 jetzt ist der Lc7 gedeckt und der Sc4 gefesselt. Se6 33. La5 Sc5 der Springer verhindert den weiteren Vormarsch des d-Bauern. Zusätzlich greift er den Lb3 an, der sich jedoch nach a2 zurückziehen könnte. 34. Lb4 zwingt den Sc5 sich zwischen seinen beiden Aufgaben zu entscheiden Sd7
Sxb3 die Drohung gegen den Läufer auf b3 ist zahnlos 35. d7 Sxd2 36. d8=Q+ Kh7 37. Sxd2
35. Tc2 Unzicker zeigt auf wie problematisch der Springer auf c4 steht a5 um den Läufer von der Kontrolle des Feldes c5 abzulenken 36. Lxa5 Dxe4 37. Sd2 Hier ist die Figur und die Partie verloren Dd3 38. Txc4 Kh7
xc4 39. Lxc4+ verliert die Dame
Kf8 39. Tc8#
39. Lc2
PGN anzeigen
[Event "Alekhine Memorial"]
[Site "Moscow URS"]
[Date "1956.10.24"]
[Round "10"]
[White "Wolfgang Unzicker"]
[Black "Paul Keres"]
[Result "1-0"]
[ECO "C99"]
[PlyCount "77"]
[EventDate "1956.10.09"]
[SourceDate "2017.03.28"]

1. e4 e5 2. Nf3 Nc6 3. Bb5 a6 4. Ba4 Nf6 5. O-O Be7 {Wolfgang Unzicker und
Paul Keres, die beiden Kontrahenten in diesem Spiel haben nicht nur etliche
Begegnungen am Brett gespielt sondern galten auch sonst als gute Freunde.} 6.
Re1 b5 7. Bb3 d6 8. c3 O-O 9. h3 Na5 {die sogenannte Tschigorin-Variante in
der Spanischen Partie. Der Springer zieht mit Angriff auf den Lb3 aus der
c-Linie. In der Regel wird Weiß seinen Läufer nicht gegen den Springer
tauschen lassen, so das der Schwarze zu c5 kommt.} 10. Bc2 c5 11. d4 {
Endlich kommt es zur Konfrontation im Zentrum. Die zentrale Frage ist hier
meistens ob das Zentrum geöffnet werden soll und vor allem die schwierige
strategische Beurteilung wer danach den größeren Vorteil davon hat.} Qc7 {
damit der e5 nach 12.dxc5 dxc5 gedeckt bleibt.} 12. Nbd2 cxd4 13. cxd4 Nc6 {
auch keine neue Frage in dieser Variante. Über welchen Weg kommt der Sa5
zurück ins Spiel} (13... Nc4 {sieht aktiver aus ist es aber nicht} 14. Nxc4 Qxc4 (
14... bxc4 15. d5 {der c4 macht auf mich keinen gesunden Eindruck}) 15. Bb3 Qc7
16. Bd2 Bb7 17. Rc1 {keine zwingende Variante, aber eine die zeigt, dass Weiß
es hier doch einfacher hat.}) 14. Nb3 Bb7 15. Bg5 {
c1 ist natürlich ein schönes Feld fur einen weißen Turm} h6 16. Bh4 Nb4 17. Bb1
{da Unzicker sein Läuferpaar nicht hergeben will ist er zu diesem unschönen
Zug gezwungen, der den Ta1 abschneidet} Rac8 {Schwarz droht über die c-Linie
ins gegnerische Lager einzudringen. Z.B. 18...Sc2 19.Lxc2 Dxc2 20.Dxc2 Txc2}
18. Re2 Nh5 {f4 wäre natürlich ein schönes Feld für den schwarzen Springer und
vor dem Abtausch der dunkelfeldrigen Läufer mus Keres auch keine Angst haben.
Trotzdem wird sich dieser Zug als strategischer Fehler herausstellen.} 19. a3 {
Unzicker klärt die Situation am Königsflügel erst mal gar nicht, sondern
befragt seinerseits den vorwitzigen Springer} Nc6 20. d5 Nb8 {hätte Schwarz
vorher Zeit gehabt die Läufer auf h4 zu tauschen könnte er den Springer
stattdessen auf das bessere Feld e7 plazieren} 21. Rc2 {eigentlich war c2 ja
als Einbruchsfeld des Schwarzen vorgesehen. Durch 18...Sh5 und die darauf folgende
Vertreibung des Springers von b4 sind die weißen Figuren von ihren
Verteidigungsaufgaben entlastet worden und können sich nun frei bewegen. Es
ist erstaunlich wie schnell Unzicker jetzt das Heft in die Hand bekommt} Qd8
22. Na5 {ein schöner Zug der durchaus einiges an Rechenarbeit verlangt. Zu
erst einmal zu sehen ist, dass nach 22...Dxa5 23.Lxe7 möglich wäre. Versucht
Schwarz mit Lxh5 das Problem zu lösen fällt der Lb7 mit Angriff auf die
schwarze Dame} Rxc2 (22... Bxh4 23. Nxb7 Qe7 24. Nxh4 Qxh4 (24... Qxb7 25. Qxh5
) 25. Nxd6) 23. Nxb7 Qc7 24. Qxc2 Qxb7 25. Bxe7 Rc8 {Natürlich geht hier auch
das einfach Zurücknehmen auf e7, aber Keres will mehr. Vermutlich dachte er
nachdem die Dame wegzieht kann ich den Laufer ja immer noch nehmen.} 26. Bxd6 {
Überraschung! Unzicker opfert die Dame für Turm, Leichtfigur und einen
Freibauern.} Rxc2 27. Bxc2 f6 {
deckt den hängenden e5, öffnet aber auch die Diagonale a2-g8} 28. Bb3 Nf4 29.
Rd1 {Der Freibauer auf d5 ist Unzickers großer Trumpf, vor allem in Verbindung
mit dem Läuferpaar. Also eiserne Regel - der Turm gehört hinter die Freibauern}
Nd7 30. Rd2 {jetzt droht z.B. auch Td2-c2-c7} Nb6 31. Bc7 {Keres hatte
vermutlich eher mit Tc2 gerechnet. Der Springer will nach c4 um die
Diagonale des Lb3 zu unterbrechen. Die Partie entwickelt sich flott zu einem
Lehrbeispiel für die Kraft des Läuferpaars} Nc4 (31... Qxc7 {
wäre ein Patzer wegen...} 32. d6+) 32. d6 {
jetzt ist der Lc7 gedeckt und der Sc4 gefesselt.} Ne6 33. Ba5 Nc5 {der Springer
verhindert den weiteren Vormarsch des d-Bauern. Zusätzlich greift er den Lb3
an, der sich jedoch nach a2 zurückziehen könnte.} 34. Bb4 {
zwingt den Sc5 sich zwischen seinen beiden Aufgaben zu entscheiden} Nd7 (34...
Nxb3 {die Drohung gegen den Läufer auf b3 ist zahnlos} 35. d7 Ncxd2 36. d8=Q+
Kh7 37. Nxd2) 35. Rc2 {
Unzicker zeigt auf wie problematisch der Springer auf c4 steht} a5 {
um den Läufer von der Kontrolle des Feldes c5 abzulenken} 36. Bxa5 Qxe4 37. Nd2
{Hier ist die Figur und die Partie verloren} Qd3 38. Rxc4 Kh7 (38... bxc4 39.
Bxc4+ {verliert die Dame}) (38... Kf8 39. Rc8#) 39. Bc2 1-0
Laudatio - 19. Nov '17
Hallo Schachfreund Kellerdrache,
wie immer eine schöne und lehrreich kommentierte Partie nebst Hintergrundinformationen von Dir. Vielen Dank dafür.
Bitte gestatte mir noch eine Frage zu Spanischen Partie, die ich schon länger mal stellen wollte:-)
Die Eröffnung ist ja hier eine längere Theorievariante. In der gängigen Literatur finde ich aber keinen Hinweis, warum Schwarz nach dem 8. Zug von Weiß mit c3 nicht sofort Lg4 spielen kann und dann erst im 9. Zug rochiert. Weiß spielt ja standardmäßig im 9. Zug h3, um den schwarzen Läufer nicht nach g4 zu lassen.

Wahrscheinlich ist die Lösung banal, aber ich komme einfach nicht drauf.

Danke und Gruß
patzer0815 - 19. Nov '17
Eine tolle Partie, vor allem die Möglichkeit 38.Txc4! als Antwort auf 37. .. Dd3 scheint Keres völlig entgangen zu sein.

Zu Deiner Frage Laudatio mal aus meiner Sicht:

Als ich mich Spanisch in meiner Jugendzeit mal angesehen habe (habe es weder mit Weiß oder Schwarz gespielt, fand es aber wichtig "alles" zumindest mal gesehen zu haben), kam mit der gleiche Gedanke.
Da ich damals nicht weiter nachgeforscht habe und jetzt die gleiche Frage von Dir kam, hab ich es mir ein bisschen angesehen.

Beim Zug Lc8-g4 stelle ich mir meist zwei Fragen:
- Taktikcheck: geht ein Abzug des Springers f3?
Entweder direkt (wie z.B. beim Sekadettenmatt) oder nicht direkt (z.B. nach einem Läuferopfer auf f7 ein Abzugsangriff der Dame auf den Läufer durch ein Springerschach auf e5 oder g5. Da der Läufer auf g4 gedeckt ist, ginge höchstens ein Einschlag auf e5. Da e5 aber auch gedeckt ist, ist der Taktikcheck bestanden.

- Strategiecheck: Was spiele ich auf die Befragung h2-h3?

a) Läuferrückzug auf der Diaogonalen c8-h3

Komodo empfiehlt nach 8. ... Lg4 9.h3 Ld7. Damit ist aber sicher keine Verbesserung der Theorie zu erreichen, da man beispielsweise gegenüber 8. ... 0-0 9.h3 Ld7 einfach ein Tempo mit Schwarz weniger hat.

b) Leichtfigurentausch auf f3

Damit erzielt man mit Schwarz keine große Wirkung. Weiß spielt ja nicht h2-h3, weil der Tausch von Springer und Läufer generell schlecht für ihn wäre (Schwarz gibt in diesem Fall ja das Läuferpaar auf), sondern weil auf ein weißes d2-d4 ein Antwortzug wie Lc8-g4 (in)direkt das weiße Zentrum (den Bauern auf d4) eingreifen würde.
Hier hat weiß allerdings noch nicht d2-d4 gespielt, wodurch der Läuferzug ohne Druck auf die weiße Stellung geschieht. Nach 8. ... Lg4 9.h3 Lxf3 10.Dxf3 hat Weiß keine Probleme in Zentrum, schielt mit Damen und Läufer nach f7, steht bereit mit g2-g4-g5 den schwarzen König anzugreifen und kann auch den Damenflügel nach d2-d3 schnell ins Spiel bringen, ohne seinen festen Stand im Zentrum aufgeben zu müssen.

c) Läuferrückzug nach h5

Hier gilt ähnliches wie nach dem Läufertausch, nur das Schwarz sein Läuferpaar behält. Weiß kann sich nach 9.d2-d3 auch sehr gut entwickeln und den schwarzen Läufer entweder mit g2-g4 aggressiv vertreiben oder mit weniger Risiko durch die im Spanischen übrlichen Springerwanderung des Damenspringers Sb1-d2-f1-g3.
Mit Schwarz würde ich wohl die kurze Rochade wegen der weißen Möglichkeit g2-g4 noch etwas zurückstellen und analog zur Breyer-Variante 9. ... Sa5 10.Lc2 c5 spielen, wonach Weiß wohl mit 11.Sbd2 antwortet.
In dieser Stellung hat Schwarz bei optisch von der Bauernstruktur etwas Vorteil, aber vor allem der Läufer auf h5 hat aus meiner Sicht keine tolle Perspektive. Beim schwarzfeldrigen Läufer vom Schwarz ist es auch fraglich wo er langfristig zum Einsatz kommen soll. Die weißen Läufer scheinen zunächst auch ziemlich in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, allerdings hätte ich da mit Weiß mehr Hoffnung noch ein paar Linien öffnen zu können. Um den weißfeldrigen Läufer von Schwarz gedoch eine Perspektive geben zu können, müsste langfrisitg entweder der weiße Bauer auf e4 verschwinden, oder der schwarze f-Bauern vorrücken. Dies scheint deutlich schwieriger als das weiße Vorrücken am Damenflügel.
Trotzdem ist die schwarze Stellung durchaus spielbar und nach beispielsweis 12. ... Sc6 muss Weiß erstmal zeigen ob er aus diesen kleinen Vorteilen wirklich etwas machen kann.
Vabanque - 19. Nov '17
Eine schöne Partie von Unzicker, die auch seinen Stil sehr gut aufzeigt.
Ein klares, kraftvolles Positionsspiel wird gekrönt von unerwarteten taktischen Finessen.
Das positionelle Damenopfer ist es freilich, was diese Partie zu etwas Besonderem macht.

Die Kommentierung gefällt mir wie immer gut, ich vermisse allerdings eine Variante zu der schwarzen Möglichkeit 37... De1+ statt des sofort verlierenden 37... Dd3, das Keres spielte.

Ja, beide Kontrahenten gehören wohl zu den menschlich sympathischsten GMs der Schachgeschichte. Sie waren nicht nur miteinander befreundet, sondern auch mit etlichen anderen großen Spielern, dank ihrer einnehmenden Persönlichkeiten.
Am Schachbrett waren allerdings beide unerbittlich :)
Vabanque - 19. Nov '17
@Laudatio und patzer:

Lustigerweise erinnere ich mich, dass ich als Jugendlicher, als ich zum ersten Mal die Eröffnungen studierte, genau dieselbe Frage hatte ... und keine Antwort fand.

Heute ist es mir intuitiv klar, dass Lg4 erst NACH weißem d4 stark ist, da es dann den Druck auf d4 verstärkt, während OHNE vorheriges d4 der Läufer auf g4 keine rechte Aufgabe hat und den weißen Aktionen am K-Flügel eher Vorschub leistet.

patzer hat dies ja sehr detailiert ausgeführt (danke dafür!), da brauche und möchte ich gar nichts mehr hinzufügen.
Kellerdrache - 19. Nov '17
Vielen Dank an Patzer und Vabanque, die es auf sich genommen haben ein wenig zur Eröffnung zu sagen. Ich selber weiß nämlich nicht allzu viel von der Theorie der spanischen Eröffnung. Obwohl mir die entstehenden Stellungen durchaus zusagen haben ich wegen der übergroßen Theoriefülle in meiner eigenen Spielpraxis immer einen weiten Bogen darum gemacht.
Ich weiß nur grade mal was eben hängen bleibt wenn man viele GM-Spiele mit Spanisch nachspielt ;-)).
Die Varianten nach 37...De1+ habe ich tatsächlich weggelassen um nicht zu unübersichtlich zu werden. Vermutlich verdienen sie eine kleine Nachbetrachtung durch den kleinen Fritz.
Laudatio - 19. Nov '17
nachdem ich mich bei Schachfreund Kellerdrache schon bedankt hatte erfolgt nun auch mein Dank an die Schachfreunde patzer0815 und Vabanque für die tollen Erläuterungen zu meiner Frage.

Ich komme mir hier vor wie Woody Allen: "Was Sie schon immer über Schach wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten!"
Vabanque - 20. Nov '17
Kellerdrache: >>Die Varianten nach 37...De1+ habe ich tatsächlich weggelassen um nicht zu unübersichtlich zu werden. Vermutlich verdienen sie eine kleine Nachbetrachtung durch den kleinen Fritz.<<

Ich bin ja auch meistens dafür, Varianten eher wegzulassen ... aber hier hätte ich ein paar kleine Hinweise für unerlässlich gehalten.
Nach 37... De1+ 38. Kh2 ist die schwarze Dame nämlich tatsächlich in der Bredouille. Es droht Sxc4 (mit Angriff durch den La5, der dann vom Sc4 gedeckt wäre).
Wo aber will sie hin? Das 'natürliche' 38... Dxf2 wird durch 39. Sxc4 (diesmal greift der Tc2 die sD an) widerlegt, denn Df4+ scheitert darauf hin an g3.
Aber welche anderen Felder hat die De1 nach 38. Kh2? Eigentlich bloß a1, weil auf De2 ebenfalls Sxc4 kommt.
Die konkrete Widerlegung von 38... Da1 müsste man sich wohl tatsächlich mit Fritz & Co. anschauen; aber bei der Abseitsstellung der sD denke ich, dass darauf 39. Sxc4 bxc4 40. Lxc4+ genügen wird, worauf Weiß baldigst seinen Freibauern durchsetzen wird (Möglichkeiten Le6 oder Lb5, um den Blockeur Sd7 zu vertreiben, und die sD kann nicht eingreifen).

Habe das jetzt bewusst im Kopf analysiert, erstens zur Übung und zweitens damit mich evtl. noch jemand korrigieren kann, und drittens um andere zu ermutigen, sich zu trauen, auch potenziell falsche 'Kopf'-Analysen hier zu posten ... selbiger wird niemandem dafür abgerissen ;)

(Ich bin mir natürlich bewusst, dass es sicher so einige hier gibt, die mir nicht glauben, dass ich so etwas im Kopf berechnen kann, und meinen, alle meine Analysen kämen nur aus der Engine. Habe ja auch schon entsprechende Zuschriften erhalten. Aber jeder glaubt eben genau das, was er glauben will, und solche Leute würde ich gerne mal zu einem privaten Schachabend am Brett einladen ... vielleicht ändern sie dann ja ihre Meinung :D )
Vabanque - 20. Nov '17
>>Ich komme mir hier vor wie Woody Allen: "Was Sie schon immer über Schach wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten!"<<

Fragt nur munter alles, was ihr fragen wollt ... vielleicht findet sich ja manchmal einer, der die Fragen auch beantworten kann ...

Noch ein letztes (?) Mal zu deiner konkreten Frage mit Lg4 im geschlossenen Spanier:

Ich erinnere mich dunkel an alte GM-Partien, wo das tatsächlich vorkam, und der Weißspieler dann genauso agiert hat, wie patzer es beschrieben hat. Also (nach h3) nur d3 gespielt und dann das typische Springermanöver Sb1-d2-f1-g3 (oder e3)-f5 durchgeführt, evtl. in Verbindung mit g2-g4. Es entstand ein starker Angriff.
Wenn ich so eine Partie konkret finde, poste ich noch einen Link.