Kommentierte Spiele

Kreative Spieler der Gegenwart: Morozevich (I)

Vabanque - 18. Sep '17
Im Juli dieses Jahres ist der russische GM Alexander Morozevich (auch Morossewitsch geschrieben) 40 Jahre alt geworden. Er gehört zu den Spielern, die irgendwie ins falsche Zeitalter hineingeboren scheinen. Mit seinem teils unorthodoxen und unerschrocken-kompromisslosen Angriffsstil hatte er sich schnell die Herzen vieler nachspielenden Schachfreunde erobert und sich ganz kurzzeitig sogar an Platz 2 der Weltrangliste gespielt, ist aber mittlerweile wieder unter 2700 abgesunken, so dass er nun nicht einmal mehr dem erlauchten Kreis der Super-GMs angehört. Doch kreative Spielzüge sind ihm seit jeher wichtiger gewesen als seine Wertungszahl. Und zu seinen bleibenden Verdiensten gehört auf jeden Fall, dass er einige bis dahin als zweifelhaft verschrieenen Eröffnungssysteme (so das Albin-Gegengambit und die Tschigorin-Verteidigung im Damengambit) durch die Entdeckung wichtiger Neuerungen rehabilitiert hat.
Die Partien von 'Moro' sind meist sehr kompliziert, allerdings nie langweilig und zeichnen sich dadurch aus, dass es darin - wie Kramnik festgestellt hat - nur ein Vorwärts, nie einen Rückzug zu geben scheint, was natürlich der Traum jedes Angriffsspielers ist.
Ich beginne meine kleine Reihe über Moro mit einer Partie, die er vor 5 Jahren gegen den Ungarn Peter Leko (einen weiteren Weltklassespieler, der dieses Niveau nicht ganz halten konnte) gewonnen hat, und die in meinen Augen leichter verständlich ist als die meisten seiner Partien.

Alexander Morozevich Peter Leko FIDE Grand Prix Tashkent | Tashkent UZB | 10 | 2012.12.03 | A33 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. c4 c5 2. Sf3 Sf6 3. Sc3 Sc6 4. d4 xd4 5. Sxd4 e6 6. g3 Db6 Statt der ebenfalls möglichen ruhigeren Züge Le7 oder Lc5 verschärft Leko hier sofort das Spiel. Ob dies gegen Morozevich die richtige Taktik ist, darf allerdings gerne bezweifelt werden. 7. Sb3 Scheinbar ist dieser Zug ungünstig wegen der schwarzen Antwort, nach der Weiß mit der Deckung seines Bauern c4 in Verlegenheit gerät. Se5 8. e4 Zu diesem Zug ist Moro nun gezwungen, obwohl er den Lf1 (der eigentlich nach g2 gehört) zunächst mit der Deckungsaufgabe von c4 belastet und auch noch auf f3 eine Schwäche hinterlässt. Aber es erweist sich, dass Schwarz diese scheinbaren Nachteile der weißen Stellung nicht ausnutzen kann. Lb4 Nun hängt e4, und der weiße Läufer kann ja nicht nach g2, ohne c4 im Stich zu lassen. 9. De2 Zwar sieht es aus, als würde Weiß bereits 'Klimmzüge' machen, um seine Stellung notdürftig zusammen zu halten, doch hat Schwarz schon jetzt keine Fortsetzung bzw. Verstärkung seines Angriffs mehr. d6
Denn auf etwa Dc6 spielt Weiß einfach 10. Ld2 , und nun kann Schwarz nicht auf c3 tauschen und sich anschließend auf e4 bedienen, da dann sein Se5 hinge. Daher deckt er diesen zunächst, und zwar mit einem Zug, der gleichzeitig ein natürlicher und nützlicher Entwicklungszug ist.
10. Ld2 a5
Nun könnte Weiß auf Dc6 11. Sd4 Dc7 12. f4 nebst Lg2 spielen. Daher verfolgt Schwarz nun einen anderen Plan, nämlich den ungünstig stehenden Sb3 anzurempeln und ihn auf ein noch schlechteres Feld zu treiben. Aber Weiß kann nun bereits den lästig stehenden Se5 endgültig vertreiben.
11. f4 Sc6
Nach Seg4?? 12. e5 verlöre Schwarz eine Figur.
12. Le3 Weiß treibt eine weitere aggressiv stehende schwarze Figur zurück und nimmt nun endlich die geplante Aufstellung ein. Dc7 13. Lg2 a4 14. Sd2 Lxc3 Das Einzige, was Schwarz jetzt noch hat, ist die Zersplitterung der weißen Damenflügelbauern, die er anschließend angreifen möchte. Ein klassischer Plan, wie er aus diversen Abspielen der Nimzoindischen Verteidigung bekannt ist. Hier wie dort zeigt es sich aber wieder einmal, wie ein geschickt eingeleiteter Königsangriff des Weißen den Schwarzen daran hindern kann, diesen an und für sich vernünftigen Plan auszuführen. 15. xc3 b6 Um Weiß nicht zu erlauben, den Doppelbauern mit c4-c5 sofort wieder aufzulösen. Doch nun stempelt Weiß b6 zum Angriffsobjekt. 16. Tb1 Sd7 17. Df2 Tb8 18. O-O O-O 19. g4 Moro gibt das Signal zum Königsangriff. Der Zug ermöglicht seiner Dame, nach h4 zu gelangen. Interessant, wie dieser Schwenk zum Königsflügel über die Bedrohung eines Objekts am Damenflügel (b6) erreicht wurde. La6 Käme Schwarz nun noch zu Sa5, würde der schwache weiße Bauer c4 bereits fallen. 20. Dh4 Nun hat Schwarz keine Zeit für weitere Manöver am Damenflügel, da Weiß bereits Tf1-f3-h3 droht. Tfe8 Um Sf8 zu ermöglichen, wonach nach weißem Th3 der Punkt h7 gesichert wäre. 21. Tf3 Sf8 22. Th3 b5?!
Endlich kann Schwarz wieder an eigene Manöver am Damenflügel denken. Logischer als der Textzug scheint aber nach wie vor Sa5 , obwohl auch dann Weiß mit 23. f5 gewaltig aufs Gaspedal treten würde, so dass der Raub des Bauern c4 sehr fragwürdig wäre.
23. e5! Sehr stark; öffnet die Diagonale des Lg2 und ermöglicht Le4. xe5?!
Wenn es hier überhaupt noch eine Chance für Schwarz gab, den weißen Angriff aufzuhalten, dann konnte sie nur in Se7 bestehen, womit noch eine Figur zur Verteidigung des Königsflügels hinübergespielt wird. Auf 24. Le4?! ginge dann nämlich Seg6 .
24. Le4 h6
Ebenfalls unerfreulich sind die Alternativen g6 25. f5! xf5 26. xf5 mit den Drohungen 27. f6 sowie 27. fxg6 fxg6 (erzwungen) Ld5+
sowie f5 25. xf5 xf5 26. Lxf5
25. f5 Nun droht sowohl f6 (wonach h6 fällt) wie auch das Läuferopfer auf h6. Beides zusammen kann Schwarz nicht verhindern. f6 26. Lxh6 xh6 27. Dxh6 Eine schreckliche Situation für Schwarz. Vor allem droht Dh8+ nebst Th7+ Sxh7 Dxh7+ mit Verlust der ungedeckten schwarzen Dame, was merkwürdigerweise nur durch Rückgabe der Figur abgewehrt werden kann. Da7+ Nach diesem 'Racheschach' hängt auch noch der Sc6. Schwarz hat an dieser Stelle zwar viele Alternativen, aber keine besseren, z.B.
Sh7 28. Lxc6 und Schwarz kann nicht zurücknehmen
Tec8 um die Dame zu decken, ohne die Figur zurückzugeben 28. Dh8+ Kf7 29. xe6+ Kxe6 30. Lf5+ der Springer kann nicht zurücknehmen wegen Th7matt Kf7 31. Se4 nebst Th6, und der Punkt f6 fällt mit tödlichen Folgen.
28. Kg2 Dg7
Jetzt brächte die 'Deckung' Tec8 gleich gar nichts mehr wegen 29. Lxc6 Txc6? 30. Dh8+ Kf7 31. Th7+ Sxh7 32. Dxh7+
Oder Se7 29. Dh8+ Kf7 30. Th6 , und auf Sg8 käme wieder obige Wendung mit Damengewinn.
29. Lxc6 Schwarz hat also alle unmittelbaren Gefahren unter Rückgabe der Figur beseitigt; das Endspiel ista ber jetzt für ihn verloren, obwohl es noch lebhafte Wendungen geben wird. Dxh6
Dxg4+?? 30. Tg3
30. Txh6 Ted8 31. Se4 Kg7 32. Txf6! Entweder sehr weit berechnet oder intuitiv richtig gespielt. Denn nun ist der Turm auf die Unterstützung des Se4 angewiesen, worauf der folgende Schwindelversuch Lekos beruht. Tdc8!? 33. xb5!
Denn nach dem gedankenlosen 33. Lxb5?? Lb7! würde plötzlich Schwarz gewinnen. So schnell kann eine Partie kippen! Dagegen ist der Textzug, der scheinbar eine Fesselung 'übersieht', goldrichtig und ein weiteres brillantes Opfer.
Txc6 Erobert scheinbar eine Figur. 34. xc6 Txb1 35. xe6! Das war des Pudels Kern: Moro kann sogar noch weiteres Material opfern, weil die beiden Freibauern gewinnen. Ld3
Nach Sxe6 36. Txe6 würde Weiß ebenfalls gewinnen, aber deutlich weniger schön als in der Partie. Außerdem hat Leko noch einen letzten vergifteten Pfeil im Köcher, wie man gleich sehen wird.
36. e7 Wieder ist die Hilflosigkeit des Springers gegenüber einem Freibauern Mitleid erregend. Lxe4+ 37. Kg3 Sg6 38. e8=Q Kxf6 Rein rechnerisch hat Schwarz sogar genügend Material für die Dame; allerdings hat Weiß ja noch den freien c-Bauern und verbundene Freibauern am Königsflügel! 39. Dd8+?!
Ein Zug, der es noch einmal spannend macht. Klarer war 39. c7 , wonach Schwarz bei präzisem Spiel von Weiß mit seinen Figuren gegen den weißen König nichts ausrichten konnte und schließlich eine Figur gegen den c-Bauern geben musste; z.B. Tb2 und jetzt erst 40. Dd8+ ; warum, wird man gleich sehen.
jedoch nicht 40. c8=Q?? wegen Dauerschach wie in der Anmerkung zum 41. Zug unten!
Kf7?!
Denn jetzt hätte Schwarz die weiße Zugumstellung zu Se7 40. c7 Lb7 nutzen können, wonach der c-Bauer fürs Erste gestoppt gewesen wäre (Weiß hätte dann mit seinem h-Bauern auf die Dauer aber dennoch gewonnen). Leko spielt dies aber deswegen nicht, weil er noch einen Gegenangriff auf den weißen König im Auge hat, für dessen Gelingen er das Zusammenspiel aller seiner Figuren brauchen würde.
40. c7 Tb2!? Gefährlich bis zum Schluss! Schwarz droht Dauerschach - wobei Weiß sogar noch aufpassen muss, nicht Matt zu werden. 41. Dd7+!
Moro wendet alles ab: 41. c8=Q?? Tg2+ 42. Kh3 Sf4+ 43. Kh4 Txh2+ 44. Kg5
auch mit 44. Kg3 Tg2+ 45. Kh4 Th2+ entkommt der König nicht
Sh3+ 45. Kh4
hier kann Weiß sogar noch prima verlieren mit 45. Kh5?? Sg1+! 46. Kg5
46. Dh4 Lg6+ 47. Kg5
47. Kh6 Txh4+ 48. Kg5 Sf3#
Sf3+ 48. Kh6 Txh4#
Sf3#
Sf4+ und Dauerschach!
Kf6 Das Einzige, denn wenn der König auf die Grundreihe geht, zieht der Bauer mit Schach ein, und wenn Schwarz das Damenschach mit Se7 abwehrt, hat er nach dem Einzug des Bauern keine Handhabe mehr gegen den weißen König:
Se7 42. c8=Q Tg2+ 43. Kh3
42. g5+!
Ein eleganter Todesstoß: 42. g5+ Kxg5 43. Dg4+ Kf6 44. Dxe4 Se7 45. Dh4+ Ke6 46. Dxe7+ mit Einzug des Bauern und leichtem Gewinn.
PGN anzeigen[Event "FIDE Grand Prix Tashkent"]
[Site "Tashkent UZB"]
[Date "2012.12.03"]
[Round "10"]
[White "Alexander Morozevich"]
[Black "Peter Leko"]
[Result "1-0"]
[WhiteElo "2748"]
[BlackElo "2732"]
[ECO "A33"]

1. c4 c5 2. Nf3 Nf6 3. Nc3 Nc6 4. d4 cxd4 5. Nxd4 e6 6. g3 Qb6 {Statt der
ebenfalls möglichen ruhigeren Züge Le7 oder Lc5 verschärft Leko hier sofort das
Spiel. Ob dies gegen Morozevich die richtige Taktik ist, darf allerdings gerne
bezweifelt werden.} 7. Nb3 {Scheinbar ist dieser Zug ungünstig wegen der
schwarzen Antwort, nach der Weiß mit der Deckung seines Bauern c4 in
Verlegenheit gerät.} 7... Ne5 8. e4 {Zu diesem Zug ist Moro nun gezwungen,
obwohl er den Lf1 (der eigentlich nach g2 gehört) zunächst mit der
Deckungsaufgabe von c4 belastet und auch noch auf f3 eine Schwäche hinterlässt.
Aber es erweist sich, dass Schwarz diese scheinbaren Nachteile der weißen
Stellung nicht ausnutzen kann.} 8... Bb4 { Nun hängt e4, und der weiße Läufer
kann ja nicht nach g2, ohne c4 im Stich zu lassen.} 9. Qe2 {Zwar sieht es aus,
als würde Weiß bereits 'Klimmzüge' machen, um seine Stellung notdürftig
zusammen zu halten, doch hat Schwarz schon jetzt keine Fortsetzung bzw.
Verstärkung seines Angriffs mehr.} 9... d6 ( {Denn auf etwa} 9... Qc6 {spielt
Weiß einfach} 10. Bd2 {, und nun kann Schwarz nicht auf c3 tauschen und sich
anschließend auf e4 bedienen, da dann sein Se5 hinge. Daher deckt er diesen
zunächst, und zwar mit einem Zug, der gleichzeitig ein natürlicher und
nützlicher Entwicklungszug ist.} ) 10. Bd2 a5 ( {Nun könnte Weiß auf} 10... Qc6
11. Nd4 Qc7 12. f4 { nebst Lg2 spielen. Daher verfolgt Schwarz nun einen
anderen Plan, nämlich den ungünstig stehenden Sb3 anzurempeln und ihn auf ein
noch schlechteres Feld zu treiben. Aber Weiß kann nun bereits den lästig
stehenden Se5 endgültig vertreiben.} ) 11. f4 Nc6 ( {Nach} 11... Neg4 $4 12. e5
{ verlöre Schwarz eine Figur.} ) 12. Be3 {Weiß treibt eine weitere aggressiv
stehende schwarze Figur zurück und nimmt nun endlich die geplante Aufstellung
ein.} 12... Qc7 13. Bg2 a4 14. Nd2 Bxc3 {Das Einzige, was Schwarz jetzt noch
hat, ist die Zersplitterung der weißen Damenflügelbauern, die er anschließend
angreifen möchte. Ein klassischer Plan, wie er aus diversen Abspielen der
Nimzoindischen Verteidigung bekannt ist. Hier wie dort zeigt es sich aber
wieder einmal, wie ein geschickt eingeleiteter Königsangriff des Weißen den
Schwarzen daran hindern kann, diesen an und für sich vernünftigen Plan
auszuführen.} 15. bxc3 b6 {Um Weiß nicht zu erlauben, den Doppelbauern mit
c4-c5 sofort wieder aufzulösen. Doch nun stempelt Weiß b6 zum Angriffsobjekt.}
16. Rb1 Nd7 17. Qf2 Rb8 18. O-O O-O 19. g4 {Moro gibt das Signal zum
Königsangriff. Der Zug ermöglicht seiner Dame, nach h4 zu gelangen.
Interessant, wie dieser Schwenk zum Königsflügel über die Bedrohung eines
Objekts am Damenflügel (b6) erreicht wurde.} 19... Ba6 {Käme Schwarz nun noch
zu Sa5, würde der schwache weiße Bauer c4 bereits fallen.} 20. Qh4 {Nun hat
Schwarz keine Zeit für weitere Manöver am Damenflügel, da Weiß bereits
Tf1-f3-h3 droht.} 20... Rfe8 {Um Sf8 zu ermöglichen, wonach nach weißem Th3 der
Punkt h7 gesichert wäre.} 21. Rf3 Nf8 22. Rh3 b5 $6 ( {Endlich kann Schwarz
wieder an eigene Manöver am Damenflügel denken. Logischer als der Textzug
scheint aber nach wie vor} 22... Na5 {, obwohl auch dann Weiß mit} 23. f5
{gewaltig aufs Gaspedal treten würde, so dass der Raub des Bauern c4 sehr
fragwürdig wäre.} ) 23. e5 $1 {Sehr stark; öffnet die Diagonale des Lg2 und
ermöglicht Le4.} 23... dxe5 $6 ( {Wenn es hier überhaupt noch eine Chance für
Schwarz gab, den weißen Angriff aufzuhalten, dann konnte sie nur in} 23... Ne7
{bestehen, womit noch eine Figur zur Verteidigung des Königsflügels
hinübergespielt wird. Auf} 24. Be4 $6 {ginge dann nämlich} 24... Neg6 {.} ) 24.
Be4 h6 ( {Ebenfalls unerfreulich sind die Alternativen} 24... g6 25. f5 $1 exf5
26. gxf5 { mit den Drohungen 27. f6 sowie 27. fxg6 fxg6 (erzwungen) Ld5+} ) (
{sowie} 24... f5 25. gxf5 exf5 26. Bxf5) 25. f5 {Nun droht sowohl f6 (wonach h6
fällt) wie auch das Läuferopfer auf h6. Beides zusammen kann Schwarz nicht
verhindern.} 25... f6 26. Bxh6 gxh6 27. Qxh6 {Eine schreckliche Situation für
Schwarz. Vor allem droht Dh8+ nebst Th7+ Sxh7 Dxh7+ mit Verlust der ungedeckten
schwarzen Dame, was merkwürdigerweise nur durch Rückgabe der Figur abgewehrt
werden kann.} 27... Qa7+ {Nach diesem 'Racheschach' hängt auch noch der Sc6.
Schwarz hat an dieser Stelle zwar viele Alternativen, aber keine besseren,
z.B.} (27... Nh7 28. Bxc6 { und Schwarz kann nicht zurücknehmen} ) (27...
Rec8 { um die Dame zu decken, ohne die Figur zurückzugeben} 28. Qh8+ Kf7 29.
fxe6+ Kxe6 30. Bf5+ {der Springer kann nicht zurücknehmen wegen Th7matt} 30...
Kf7 31. Ne4 {nebst Th6, und der Punkt f6 fällt mit tödlichen Folgen.} ) 28. Kg2
Qg7 ( {Jetzt brächte die 'Deckung'} 28... Rec8 {gleich gar nichts mehr wegen}
29. Bxc6 Rxc6 $2 30. Qh8+ Kf7 31. Rh7+ Nxh7 32. Qxh7+) ( {Oder} 28... Ne7 29.
Qh8+ Kf7 30. Rh6 {, und auf Sg8 käme wieder obige Wendung mit Damengewinn.} )
29. Bxc6 {Schwarz hat also alle unmittelbaren Gefahren unter Rückgabe der Figur
beseitigt; das Endspiel ista ber jetzt für ihn verloren, obwohl es noch
lebhafte Wendungen geben wird.} 29... Qxh6 (29... Qxg4+ $4 30. Rg3) 30. Rxh6
Red8 31. Ne4 Kg7 32. Rxf6 $1 {Entweder sehr weit berechnet oder intuitiv
richtig gespielt. Denn nun ist der Turm auf die Unterstützung des Se4
angewiesen, worauf der folgende Schwindelversuch Lekos beruht.} 32... Rdc8 $5
33. cxb5 $1 ( {Denn nach dem gedankenlosen} 33. Bxb5 $4 Bb7 $1 {würde plötzlich
Schwarz gewinnen. So schnell kann eine Partie kippen! Dagegen ist der Textzug,
der scheinbar eine Fesselung 'übersieht', goldrichtig und ein weiteres
brillantes Opfer.} ) 33... Rxc6 {Erobert scheinbar eine Figur.} 34. bxc6 Rxb1
35. fxe6 $1 {Das war des Pudels Kern: Moro kann sogar noch weiteres Material
opfern, weil die beiden Freibauern gewinnen.} 35... Bd3 ( {Nach} 35... Nxe6 36.
Rxe6 {würde Weiß ebenfalls gewinnen, aber deutlich weniger schön als in der
Partie. Außerdem hat Leko noch einen letzten vergifteten Pfeil im Köcher, wie
man gleich sehen wird. } ) 36. e7 {Wieder ist die Hilflosigkeit des Springers
gegenüber einem Freibauern Mitleid erregend.} 36... Bxe4+ 37. Kg3 Ng6 38. e8=Q
Kxf6 {Rein rechnerisch hat Schwarz sogar genügend Material für die Dame;
allerdings hat Weiß ja noch den freien c-Bauern und verbundene Freibauern am
Königsflügel!} 39. Qd8+ $6 ( {Ein Zug, der es noch einmal spannend macht.
Klarer war} 39. c7 {, wonach Schwarz bei präzisem Spiel von Weiß mit seinen
Figuren gegen den weißen König nichts ausrichten konnte und schließlich eine
Figur gegen den c-Bauern geben musste; z.B.} 39... Rb2 {und jetzt erst} 40.
Qd8+ {; warum, wird man gleich sehen.} ( {jedoch nicht} 40. c8=Q $4 { wegen
Dauerschach wie in der Anmerkung zum 41. Zug unten!} ) ) 39... Kf7 $6 ( {Denn
jetzt hätte Schwarz die weiße Zugumstellung zu} 39... Ne7 40. c7 Bb7 {nutzen
können, wonach der c-Bauer fürs Erste gestoppt gewesen wäre (Weiß hätte dann
mit seinem h-Bauern auf die Dauer aber dennoch gewonnen). Leko spielt dies aber
deswegen nicht, weil er noch einen Gegenangriff auf den weißen König im Auge
hat, für dessen Gelingen er das Zusammenspiel aller seiner Figuren brauchen
würde.} ) 40. c7 Rb2 $5 {Gefährlich bis zum Schluss! Schwarz droht Dauerschach
- wobei Weiß sogar noch aufpassen muss, nicht Matt zu werden.} 41. Qd7+ $1 (
{Moro wendet alles ab:} 41. c8=Q?? Rg2+ 42. Kh3 Nf4+ 43. Kh4 Rxh2+ 44. Kg5 (
{auch mit} 44. Kg3 Rg2+ 45. Kh4 Rh2+ {entkommt der König nicht} ) 44... Nh3+
45. Kh4 ( {hier kann Weiß sogar noch prima verlieren mit} 45. Kh5 $4 Ng1+ $1
46. Kg5 (46. Qh4 Bg6+ 47. Kg5 (47. Kh6 Rxh4+ 48. Kg5 Nf3#) 47... Nf3+ 48. Kh6
Rxh4#) 46... Nf3#) 45... Nf4+ {und Dauerschach!} ) 41... Kf6 {Das Einzige, denn
wenn der König auf die Grundreihe geht, zieht der Bauer mit Schach ein, und
wenn Schwarz das Damenschach mit Se7 abwehrt, hat er nach dem Einzug des Bauern
keine Handhabe mehr gegen den weißen König:} (41... Ne7 42. c8=Q Rg2+ 43. Kh3)
42. g5+ $1 ( {Ein eleganter Todesstoß:} 42. g5+ Kxg5 43. Qg4+ Kf6 44. Qxe4 Ne7
45. Qh4+ Ke6 46. Qxe7+ {mit Einzug des Bauern und leichtem Gewinn.} ) 1-0
Kellerdrache - 19. Sep '17
Eine wirklich ungeheuer lehrreiche Partie. Nicht immer ist der direkte Durchbruch des Königsangriffs der Garant des Erfolgs. Hier ist es eben so, dass Schwarz in der Verteidigung des Mattangriffs Konzessionen machen muss die ihrerseits neue Pläne ermöglichen.
Einen besonderen Dank an Peter Leko, der durch seine für ihn untypische aggressive Strategie dieses Spiel erst möglich gemacht hat.
Moro gehört zu den wenigen Spielern die so gut wie keine langweiligen Partien spielen. Schwer zu verstehen sind sie allerdings oft, doch die Kreativität mit der er immer wieder in bekannten Stellungen neue Pläne findet beeindruckt mich sehr.
Vor diesem Hintergrund freut es mich, dass Du ihm eine eigene Reihe widmest und Dir die Mühe machst dich bei der Kommentierung durch Moros Gedankendschungel zu kämpfen