Kommentierte Spiele
Kreative Spieler der Gegenwart: Morozevich (I)
Vabanque - 18. Sep '17
Im Juli dieses Jahres ist der russische GM Alexander Morozevich (auch Morossewitsch geschrieben) 40 Jahre alt geworden. Er gehört zu den Spielern, die irgendwie ins falsche Zeitalter hineingeboren scheinen. Mit seinem teils unorthodoxen und unerschrocken-kompromisslosen Angriffsstil hatte er sich schnell die Herzen vieler nachspielenden Schachfreunde erobert und sich ganz kurzzeitig sogar an Platz 2 der Weltrangliste gespielt, ist aber mittlerweile wieder unter 2700 abgesunken, so dass er nun nicht einmal mehr dem erlauchten Kreis der Super-GMs angehört. Doch kreative Spielzüge sind ihm seit jeher wichtiger gewesen als seine Wertungszahl. Und zu seinen bleibenden Verdiensten gehört auf jeden Fall, dass er einige bis dahin als zweifelhaft verschrieenen Eröffnungssysteme (so das Albin-Gegengambit und die Tschigorin-Verteidigung im Damengambit) durch die Entdeckung wichtiger Neuerungen rehabilitiert hat.
Die Partien von 'Moro' sind meist sehr kompliziert, allerdings nie langweilig und zeichnen sich dadurch aus, dass es darin - wie Kramnik festgestellt hat - nur ein Vorwärts, nie einen Rückzug zu geben scheint, was natürlich der Traum jedes Angriffsspielers ist.
Ich beginne meine kleine Reihe über Moro mit einer Partie, die er vor 5 Jahren gegen den Ungarn Peter Leko (einen weiteren Weltklassespieler, der dieses Niveau nicht ganz halten konnte) gewonnen hat, und die in meinen Augen leichter verständlich ist als die meisten seiner Partien.































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Die Partien von 'Moro' sind meist sehr kompliziert, allerdings nie langweilig und zeichnen sich dadurch aus, dass es darin - wie Kramnik festgestellt hat - nur ein Vorwärts, nie einen Rückzug zu geben scheint, was natürlich der Traum jedes Angriffsspielers ist.
Ich beginne meine kleine Reihe über Moro mit einer Partie, die er vor 5 Jahren gegen den Ungarn Peter Leko (einen weiteren Weltklassespieler, der dieses Niveau nicht ganz halten konnte) gewonnen hat, und die in meinen Augen leichter verständlich ist als die meisten seiner Partien.
Alexander Morozevich Peter Leko FIDE Grand Prix Tashkent | Tashkent UZB | 10 | 2012.12.03 | A33 | 1:0
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1. c4 c5 2. Sf3 Sf6 3. Sc3 Sc6 4. d4 xd4 5. Sxd4 e6 6. g3 Db6 Statt der ebenfalls möglichen ruhigeren Züge Le7 oder Lc5 verschärft Leko hier sofort das Spiel. Ob dies gegen Morozevich die richtige Taktik ist, darf allerdings gerne bezweifelt werden. 7. Sb3 Scheinbar ist dieser Zug ungünstig wegen der schwarzen Antwort, nach der Weiß mit der Deckung seines Bauern c4 in Verlegenheit gerät. Se5 8. e4 Zu diesem Zug ist Moro nun gezwungen, obwohl er den Lf1 (der eigentlich nach g2 gehört) zunächst mit der Deckungsaufgabe von c4 belastet und auch noch auf f3 eine Schwäche hinterlässt. Aber es erweist sich, dass Schwarz diese scheinbaren Nachteile der weißen Stellung nicht ausnutzen kann. Lb4 Nun hängt e4, und der weiße Läufer kann ja nicht nach g2, ohne c4 im Stich zu lassen. 9. De2 Zwar sieht es aus, als würde Weiß bereits 'Klimmzüge' machen, um seine Stellung notdürftig zusammen zu halten, doch hat Schwarz schon jetzt keine Fortsetzung bzw. Verstärkung seines Angriffs mehr. d6 10. Ld2 a5 11. f4 Sc6 12. Le3 Weiß treibt eine weitere aggressiv stehende schwarze Figur zurück und nimmt nun endlich die geplante Aufstellung ein. Dc7 13. Lg2 a4 14. Sd2 Lxc3 Das Einzige, was Schwarz jetzt noch hat, ist die Zersplitterung der weißen Damenflügelbauern, die er anschließend angreifen möchte. Ein klassischer Plan, wie er aus diversen Abspielen der Nimzoindischen Verteidigung bekannt ist. Hier wie dort zeigt es sich aber wieder einmal, wie ein geschickt eingeleiteter Königsangriff des Weißen den Schwarzen daran hindern kann, diesen an und für sich vernünftigen Plan auszuführen. 15. xc3 b6 Um Weiß nicht zu erlauben, den Doppelbauern mit c4-c5 sofort wieder aufzulösen. Doch nun stempelt Weiß b6 zum Angriffsobjekt. 16. Tb1 Sd7 17. Df2 Tb8 18. O-O O-O 19. g4 Moro gibt das Signal zum Königsangriff. Der Zug ermöglicht seiner Dame, nach h4 zu gelangen. Interessant, wie dieser Schwenk zum Königsflügel über die Bedrohung eines Objekts am Damenflügel (b6) erreicht wurde. La6 Käme Schwarz nun noch zu Sa5, würde der schwache weiße Bauer c4 bereits fallen. 20. Dh4 Nun hat Schwarz keine Zeit für weitere Manöver am Damenflügel, da Weiß bereits Tf1-f3-h3 droht. Tfe8 Um Sf8 zu ermöglichen, wonach nach weißem Th3 der Punkt h7 gesichert wäre. 21. Tf3 Sf8 22. Th3 b5?! 23. e5! Sehr stark; öffnet die Diagonale des Lg2 und ermöglicht Le4. xe5?! 24. Le4 h6 25. f5 Nun droht sowohl f6 (wonach h6 fällt) wie auch das Läuferopfer auf h6. Beides zusammen kann Schwarz nicht verhindern. f6 26. Lxh6 xh6 27. Dxh6 Eine schreckliche Situation für Schwarz. Vor allem droht Dh8+ nebst Th7+ Sxh7 Dxh7+ mit Verlust der ungedeckten schwarzen Dame, was merkwürdigerweise nur durch Rückgabe der Figur abgewehrt werden kann. Da7+ Nach diesem 'Racheschach' hängt auch noch der Sc6. Schwarz hat an dieser Stelle zwar viele Alternativen, aber keine besseren, z.B. 28. Kg2 Dg7 29. Lxc6 Schwarz hat also alle unmittelbaren Gefahren unter Rückgabe der Figur beseitigt; das Endspiel ista ber jetzt für ihn verloren, obwohl es noch lebhafte Wendungen geben wird. Dxh6 30. Txh6 Ted8 31. Se4 Kg7 32. Txf6! Entweder sehr weit berechnet oder intuitiv richtig gespielt. Denn nun ist der Turm auf die Unterstützung des Se4 angewiesen, worauf der folgende Schwindelversuch Lekos beruht. Tdc8!? 33. xb5! Txc6 Erobert scheinbar eine Figur. 34. xc6 Txb1 35. xe6! Das war des Pudels Kern: Moro kann sogar noch weiteres Material opfern, weil die beiden Freibauern gewinnen. Ld3 36. e7 Wieder ist die Hilflosigkeit des Springers gegenüber einem Freibauern Mitleid erregend. Lxe4+ 37. Kg3 Sg6 38. e8=Q Kxf6 Rein rechnerisch hat Schwarz sogar genügend Material für die Dame; allerdings hat Weiß ja noch den freien c-Bauern und verbundene Freibauern am Königsflügel! 39. Dd8+?!
Ein Zug, der es noch einmal spannend macht. Klarer war 39. c7 , wonach Schwarz bei präzisem Spiel von Weiß mit seinen Figuren gegen den weißen König nichts ausrichten konnte und schließlich eine Figur gegen den c-Bauern geben musste; z.B. Tb2 und jetzt erst 40. Dd8+ ; warum, wird man gleich sehen.
Kf7?! jedoch nicht 40. c8=Q?? wegen Dauerschach wie in der Anmerkung zum 41. Zug unten!
Denn jetzt hätte Schwarz die weiße Zugumstellung zu Se7 40. c7 Lb7 nutzen können, wonach der c-Bauer fürs Erste gestoppt gewesen wäre (Weiß hätte dann mit seinem h-Bauern auf die Dauer aber dennoch gewonnen). Leko spielt dies aber deswegen nicht, weil er noch einen Gegenangriff auf den weißen König im Auge hat, für dessen Gelingen er das Zusammenspiel aller seiner Figuren brauchen würde.
40. c7 Tb2!? Gefährlich bis zum Schluss! Schwarz droht Dauerschach - wobei Weiß sogar noch aufpassen muss, nicht Matt zu werden. 41. Dd7+! Kf6 Das Einzige, denn wenn der König auf die Grundreihe geht, zieht der Bauer mit Schach ein, und wenn Schwarz das Damenschach mit Se7 abwehrt, hat er nach dem Einzug des Bauern keine Handhabe mehr gegen den weißen König: 42. g5+!
Kellerdrache - 19. Sep '17
Eine wirklich ungeheuer lehrreiche Partie. Nicht immer ist der direkte Durchbruch des Königsangriffs der Garant des Erfolgs. Hier ist es eben so, dass Schwarz in der Verteidigung des Mattangriffs Konzessionen machen muss die ihrerseits neue Pläne ermöglichen.
Einen besonderen Dank an Peter Leko, der durch seine für ihn untypische aggressive Strategie dieses Spiel erst möglich gemacht hat.
Moro gehört zu den wenigen Spielern die so gut wie keine langweiligen Partien spielen. Schwer zu verstehen sind sie allerdings oft, doch die Kreativität mit der er immer wieder in bekannten Stellungen neue Pläne findet beeindruckt mich sehr.
Vor diesem Hintergrund freut es mich, dass Du ihm eine eigene Reihe widmest und Dir die Mühe machst dich bei der Kommentierung durch Moros Gedankendschungel zu kämpfen
Einen besonderen Dank an Peter Leko, der durch seine für ihn untypische aggressive Strategie dieses Spiel erst möglich gemacht hat.
Moro gehört zu den wenigen Spielern die so gut wie keine langweiligen Partien spielen. Schwer zu verstehen sind sie allerdings oft, doch die Kreativität mit der er immer wieder in bekannten Stellungen neue Pläne findet beeindruckt mich sehr.
Vor diesem Hintergrund freut es mich, dass Du ihm eine eigene Reihe widmest und Dir die Mühe machst dich bei der Kommentierung durch Moros Gedankendschungel zu kämpfen