Kommentierte Spiele
Verlustpartien der Weltmeister ( V ) : Portisch-Karpov
Kellerdrache - 17. Aug '16
Anatoly Karpov hat immer mit dem Makel leben müssen den Weltmeistertitel nicht im Wettkampf gewonnen zu haben. Eine Weltmeisterschaft zwischen Fischer und ihm ist der Schachwelt leider versagt geblieben. Dadurch ist vermutlich aus Karpovs Bereitschaft zu erklären sich immer und überall in Turnieren seinen Zeitgenossen zu stellen. Ganz so als müsse er beweisen, dass er seinen Titel verdiente. Dabei haben nur wenige damals daran gezweifelt in ihm den stärksten Spieler seiner Zeit vor sich zu haben.
Lajos Portisch tauchte in diesem Forum ja bereits mehrfach auf. In jedem Fall als Opfer brillanter Angriffe. Als ich also auf der Suche nach einer Verlustpartie Karpovs auf diese Begegnung stiess war mir klar, dass ich die Gelegenheit seinen guten Namen hier zu rehabilitieren nicht verstreichen lassen durfte.
Ganz wie sein Gegenüber Karpov war Portisch als Positionsspieler bekannt, wurde von vielen der "ungarische Botwinnik" genannt. Er war damit unter den ungarischen Schachspielern seiner Zeit übrigens eine Ausnahme. Adorjan, Sax und die Polgar-Schwestern waren allesamt ausgewiesene Taktiker. Erst Peter Leko setzte sozusagen Portischs Linie in Ungarn fort.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Partien habe ich zu dieser nur sehr sparsame Kommentare gefunden. Gezeigte Varianten sind also von mir selbst und daher mit gesteigerter Vorsicht zu betrachten.































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Lajos Portisch tauchte in diesem Forum ja bereits mehrfach auf. In jedem Fall als Opfer brillanter Angriffe. Als ich also auf der Suche nach einer Verlustpartie Karpovs auf diese Begegnung stiess war mir klar, dass ich die Gelegenheit seinen guten Namen hier zu rehabilitieren nicht verstreichen lassen durfte.
Ganz wie sein Gegenüber Karpov war Portisch als Positionsspieler bekannt, wurde von vielen der "ungarische Botwinnik" genannt. Er war damit unter den ungarischen Schachspielern seiner Zeit übrigens eine Ausnahme. Adorjan, Sax und die Polgar-Schwestern waren allesamt ausgewiesene Taktiker. Erst Peter Leko setzte sozusagen Portischs Linie in Ungarn fort.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Partien habe ich zu dieser nur sehr sparsame Kommentare gefunden. Gezeigte Varianten sind also von mir selbst und daher mit gesteigerter Vorsicht zu betrachten.
Lajos Portisch Anatoly Karpov San Antonio | 1972.11.30 | E55 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sc3 Lb4 4. e3 Die Rubinstein-Variante der Nimzowitsch-Indischen Verteidigung ist das meist gespielte Abspiel. Weiß hat aber eine große Anzahl von ebenfalls beliebten Alternativen, z.B. Dc2, Sf3 oder die hier bereits mehrfach gesehene Sämisch-Variante mit a3. c5 5. Ld3 O-O 6. Sf3 d5 Alles ganz normale Entwicklungszüge. Es lässt sich schon erahnen, dass Weiß hier im Zweifelsfall bereit sein muss mit einem Isolani zu spielen. 7. O-O xc4 8. Lxc4 Sbd7 Karpov möchte seinen Turm auf die offene c-Linie stellen und da wäre ein Sc6 eben im Weg. 9. De2 Nach dem zu erwartenden Tausch auf d4 hat die Dame eine halboffene Linie und d1 kann mit einem Turm besetzt werden, der dann der schwarzen Dame gegenübersteht xd4 10. xd4 b6 Es ist eine Untervariante aufs Brett gekommen, die pikanterweise nach Karpov benannt wurde, der sowohl einiges an Theorie als auch ein paar schöne Siege dazu beigetragen hat. Allerdings hatte er da meistens die weißen Steine. Portisch lässt ihn also gegen seinen eigenen Aufbau spielen. 11. d5 der Isolani wird sofort aufgelöst. Portisch macht aus der geschlossenen Eröffnung eine offene Partie. So etwas ähnliches hat Keres in einer von mir vorgestellten Partie den Sieg eingebracht. Aber da wie hier ist es nicht so einfach einzuschätzen welche Seite nach einer Auflösung des Bauernzentrums eigentlich besser steht. Wie sich zeigen wird fällt es Weiß deutlich leichter schnell Drohungen aufzubauen. Lxc3 12. xe6 Lb4 13. xd7 Dxd7 In einer offenen Stellung sind Tempo und Initiative die entscheidenden Komponenten. Portisch trödelt nicht sondern nimmt sofort das Steuer in die Hand. 14. a3 Ld6 aktiver als Le7. Karpov orientriert sich sofort in Richtung des weißen Königs 15. Td1 Dc7 Schwarz steht absolut zufriedenstellend. Noch Lb7 spielen, die Türme auf zwei der drei offenen Linien stellen und man ist perfekt aus der Eröffnung gekommen. Hat Portisch also einen Fehler gemacht als er das Zentrum auflöste ? Momentan ist jedenfalls zur Abwechslung Karpov am Drücker. Sein Läufer soll auf b7 und der Springer auf g4. Diese Idee sagt seinem Gegenüber nicht zu, also verwehrt er dem Sf6 den Zugang zu g4 16. h3 Lb7 17. Le3 Viele von uns hätten vermutlich Lg5 vorgezogen, aber nach Se4 muß der Läufer nicht nur sofort wieder ziehen sondern das schwarze Pferdchen steht auch vor der Haustür des weißen Königs Tae8 Natürlich hat Lajos Portisch diesen Zug vorhergesehen. Nicht nur hat Le3 ihn teilweise entschärft, sondern auch c1 geräumt sodaß er jetzt seinerseits Karpovs Königin belästigen kann.Trotzdem wird ihn die Fesselung auf der e-Linie noch längere Zeit einschränken. 18. Tac1 Db8 Schwarz will den Druck auf die weiße Königsstellung aufrecht erhalten. Für mein laienhaftes Auge steht Karpov hier mindestens ausgeglichen. Es ist faszinierend zu sehen wie der Ungar die Initiative an sich zieht. 19. Lb5 Das sieht wie ein typischer Amateurzug aus. Man belästigt den Turm, aber der steht schlieslich auf e7 auch nicht schlechter als auf e8. Doch der Angriff auf den Turm dient nur zum Gewinn des Tempos, das Weiß für seinen nächsten Zug benötigt. Te7 20. Lc6 Tauscht den starken Lb7 ab und mindert damit den Druck gegen die eigene Königsstellung. Lxc6 Ist es notwendig selbst zu tauschen und damit den Tc1 auf ein starkes Feld zu lotsen ? Mögliche Alternativen wären 21. Txc6 Lc5 isoliert den Turm auf c6 und drückt gegen den Le3, der wegen der Fesselung auf der e-Linie nicht selbst nehmen kann. 22. Txf6!? Portisch spielte in diesem Turnier wie Karpov um den Gesamtsieg. Vermutlich spekulierte er darauf, dass ihm die kommenden Mattdrohungen mindestens ein Remis sichern würden. xf6 23. Sd4 gibt der weißen Dame Zugang zum Königsflügel und droht über f5 am Königsangriff teilzunehmen. Lxd4 24. Txd4 De5 Möglicherweise ein Fehler, da die Dame leicht zu vertreiben ist und sich wohl kaum auf der g-Linie opfern möchte. Als Alternative wurde 24...Tc8 empfohlen. 25. Df3 die Idee ist 26.Tg4+ Kh8 17.Ld4 und es geht zu Ende. Kh8 Also geht Karpov sofort aus dem Weg. Jetzt kann 26.Tg4 bequem mit Dxb2 beantwortet werden. Auf Ld4 folgt dann Dc1+ usw. 26. Td5
Vabanque - 17. Aug '16
Ich war beim Nachspielen äußerst verblüfft darüber, wie abrupt diese Partie nach dem Qualitätsopfer zu Ende geht. Offenbar hat dieses Opfer Karpov völlig aus dem Konzept gebracht. Bei Amateuren ist es ja oft zu beobachten, dass sie nicht schnell genug auf eine komplette Änderung der Situation reagieren, also etwa wenn es gilt, von Positions- auf Kombinationspiel umzuschalten oder von Angriff auf Verteidigung. Aber von einem GM oder gar von einem WM sollte man diese Fähigkeit ja nun wirklich erwarten können.
Allerdings beobachtet man in Karpovs Partien öfters, dass er, wenn er mal verliert (was in seiner Glanzzeit wirklich selten vorkam), dann absolut 'gründlich' verliert.
Hier hat er nicht erkannt, wie gefährlich das Qualitätsopfer - obwohl anscheinend inkorrekt - tatsächlich ist. Er hat nicht genau gerechnet. Jedenfalls ist ihm in der Vorausberechnung entgangen, dass 26. Td5 sofort gewinnt. Und noch nachdem ich den Zug nachgespielt hatte, war ich erstaunt, dass Schwarz nun aufgeben muss ...
Allerdings beobachtet man in Karpovs Partien öfters, dass er, wenn er mal verliert (was in seiner Glanzzeit wirklich selten vorkam), dann absolut 'gründlich' verliert.
Hier hat er nicht erkannt, wie gefährlich das Qualitätsopfer - obwohl anscheinend inkorrekt - tatsächlich ist. Er hat nicht genau gerechnet. Jedenfalls ist ihm in der Vorausberechnung entgangen, dass 26. Td5 sofort gewinnt. Und noch nachdem ich den Zug nachgespielt hatte, war ich erstaunt, dass Schwarz nun aufgeben muss ...
Kellerdrache - 18. Aug '16
Das Qualitätsopfer reicht ja genau genommen bestenfalls zum Remis, aber es hat Karpov völlig aus dem Rythmus gebracht. Bis zu diesem Punkt hatte er sich eigentlich recht gut verteidigt.
Es ging mir auch so, dass ich mich gewundert habe wie schnell die Stellung von Mittelfeldgeplänkel zu Königsangriff kippt.
Es ging mir auch so, dass ich mich gewundert habe wie schnell die Stellung von Mittelfeldgeplänkel zu Königsangriff kippt.