Kommentierte Spiele
Verlustpartien der Weltmeister (XII): Aljechin
Vabanque - 08. Sep '16
Als ich für diese Reihe an Aljechin kam, hatte ich mich ursprünglich schon gefreut: von ihm gibt es, relativ gesehen, doch sehr viele Verlustpartien. Doch die meisten erweisen sich beim Nachspielen als arge Enttäuschung, da Aljechin dort entweder ziemlich gepatzt hat (so dass es gleich aus war), oder generell so schlecht gespielt hat, dass er kaum wiederzuerkennen ist. Seine schönsten Niederlagen passierten ihm (außer gegen Capablanca, der ja hier durch die Prinzipien dieser Reihe ausgeschlossen ist) gegen seinen Erzrivalen (und Freund) Bogoljubov. Nun kamen (wieder nach den Prinzipien dieser Reihe) aber nur Partien in Frage, die Aljechin außerhalb der beiden WM-Kämpfe 1929 und 1934 gegen Bogo verloren hat. So bin ich auf folgende Partie gestoßen, in der Aljechin die Eröffnung mit Schwarz überscharf behandelt, was Bogo mit einem kleinen Opferreigen ebenso präzise wie unterhaltsam bestraft. Eine der kürzesten Niederlagen aus Aljechins Laufbahn - und diesmal, ohne dass ihm ein wirklicher Patzer nachzuweisen wäre! Gespielt wurde die Partie im Juli 1937, also kurz bevor sich Aljechin im darauf folgenden Herbst den Weltmeistertitel von Euwe zurückholte.































PGN anzeigen
Efim Bogoljubov Alexander Alekhine Bad Nauheim-Stuttgart-Garmisch | Bad Nauheim - Stuttgart - Garmisch GER | 4 | 1937.07.22 | C17 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. e4 e6 2. d4 d5 3. Sc3 Lb4 4. e5 c5 5. xc5 Ein unüblicher Zug - damals wie heute. Am meisten wird hier 5. a3 gespielt; auch 5. Ld2 ist nicht ohne Gift (wie ich schon in eigenen Partien erfahren musste), und war eigentlich eine Spezialität Bogolubovs. Vermutlich weicht Bogo hier ab, weil Aljechin auf Ld2 gut vorbereitet war. Und siehe da, die Abweichung zahlt sich aus. Sc6 Bis jetzt völlig richtig, da dxc5 ja e5 geschwächt hat. 6. Sf3 f6?! Aber dieser sofortige weitere Angriff auf e5 ist sicher überscharf, wenn der Zug auch Aljechins ungestümem Temperament entspricht. 7. Lb5! Eine sehr gute indirekte Deckung von e5. Lxc5 8. O-O Ld7 Hebt die Fesselung auf, so dass e5 jetzt wieder angegriffen ist. Aber Weiß ist in der Zwischenzeit so gut entwickelt, dass er e5 effektiv direkt zu decken vermag. 9. Te1 Nun zeigt sich allmählich auch die Gefahr des schon zu lang in der Mitte verbliebenen schwarzen Königs. xe5 10. Sxe5 Sxe5?! Hier war noch die Gelegenheit zu Sf6, wonach Schwarz zur Rochade kommt. 11. Txe5 Nun folgt auf Sf6 gleich Txe6+ Lxb5 Aljechin entschließt sich, den e-Bauern zu opfern, um - wie er meint - zur künstlichen Rochade und zum Gegenspiel auf der e-Linie zu gelangen. 12. Sxb5 Sf6 13. Txe6+ Kf7 Wenn der Turm jetzt zurückweichen müsste, bekäme Schwarz wohl tatsächlich etwas Spiel für den Bauern, denn nach Dd7 hinge dann ja zunächst auch der Sb5. 14. Txf6+!! Aber er weicht gar nicht zurück! Dass Weiß bei seiner unvollständigen Entwicklung die Qualität geben kann, ist allerdings durchaus erstaunlich. xf6 15. Dh5+ Kg8 Sich auf die e-Linie zu begeben, ist nach Lf4 nebst ggf. Te1+ ebenfalls unersprießlich. 16. Lh6! Dieser Läufer wird der Nagel zum Sarg des schwarzen Königs sein - eine Umarmung, aus der es kein Entrinnen mehr gibt. Dd7 Das sofortige Entgegenstemmen mit Lf8 war noch am besten; nach dem Textzug, der den Sb5 bedroht, geht es quasi forciert zu Ende. Ab hier ist Bogos Spiel sehr instruktiv - dies ist genau die Art Stellung, die ihm sehr gut lag und wo er sich in seinem Element fühlte. 17. Sc7!! Sehr hübsch. Der kesse Springer darf nicht genommen werden, greift aber a8 und d5 zugleich an. Df7 18. Dh3! Damentausch nebst Rückgewinn der Qualität und Mehrbauer ist Bogo in dieser Situation zu wenig. Tb8 19. Te1 Td8 20. Sxd5! Einschlag auf einem scheinbar doppelt gedeckten Punkt! Txd5 21. Dg4+ Tg5 22. Dc8+ Einfacher war dennoch Lxg5. Lf8 23. Lxf8 h5 24. f4?!
Schade! Mit 24. Te7 hätte Weiß die Partie hier sofort beenden können (Dxf8 25. De6+). Aber der Textzug reicht völlig aus.
Kh7 Aljechin führte noch diesen Zug aus und überschritt aber gleichzeitig die Zeit - und das im 24. Zug! Die Fortsetzung wäre gewesen: Kh7 25. xg5 Txf8 26. Df5+ Kg7 27. Te6 und f6 fällt auch noch, da fxg5 wegen Dxg5+ nebst Th6+ nicht spielbar ist. Bogo hat das ungenaue Eröffnungsspiel Aljechins in lehrbuchhafter Weise ausgenutzt.
Kellerdrache - 09. Sep '16
Eine Partie mit vertauschten Farben. Ich glaube die meisten hätten hier wohl darauf gewettet das Aljechin die weißen Farben führt.
Natürlich war Aljechins Eröffnungsbehandlung schlecht, trotzdem war es beeindruckend wie einfallsreich und konsequent Bogoljubow den Angriff führte. Nach dem ersten Einschlag gönnt er seinem Gegner keine Atempause mehr. Hut ab vor Bogo !!
Natürlich war Aljechins Eröffnungsbehandlung schlecht, trotzdem war es beeindruckend wie einfallsreich und konsequent Bogoljubow den Angriff führte. Nach dem ersten Einschlag gönnt er seinem Gegner keine Atempause mehr. Hut ab vor Bogo !!
Vabanque - 09. Sep '16
Ja, er wird viel unterschätzt. Man darf nicht vergessen, dass Bogo damals zur Weltspitze gehörte. Er ist zwar sicher nicht in eine Reihe zu stellen mit Lasker, Capablanca und Aljechin, aber er war ein hervorragender Angriffsspieler, der in solchen Stellungen fast immer intuitiv die richtigen Züge traf. Er war auch ein guter Positionsspieler, wenn es darum ging, die eigene Stellung schrittweise zu verstärken. Seine Schwächen lagen in der Verteidigung und in technischen Stellungen. Er hat - ähnlich wie später Spassky - nie an seiner Technik gearbeitet. Während Spassky aber so genial war, dass er trotz seiner Faulheit Weltmeister wurde, war Bogo 'nur' sehr begabt. Er spielte die Stellungen ausgezeichnet, die seiner Begabung entsprachen und die ihm Spaß machten, aber er arbeitete nie daran, auch 'langweilige' Stellungen gut zu spielen.
Kellerdrache - 09. Sep '16
Wer kann ihn da nicht verstehen! Ich habe auch so typische Eröffnungen oder besser gesagt Arten von Stellungen die für mich so unsäglich fade sind, dass ich mich nicht dazu bringen kann darüber nachzudenken. Den Preis den ich dafür bezahle ist, dass ich die dann meistens auch verliere. Aber das ist halt der Vorteil des Amateurs dem Profi gegenüber bei dem der Lebensunterhalt ja von Gewinnen oder Verlieren abhängt. Als Amateur kann ich es mir leisten zu sagen: "Ich verbringe keine zwei Stunden damit in einer ausgelutschten Stellung nach Feinheiten zu suchen. Dazu ist mir meine Lebenszeit zu kostbar." Ich wette so mancher GM, der von Carlsen durch ein ödes Endspiel gequält wurde beneidet mich darum ;-))