Kommentierte Spiele
Verlustpartien der Weltmeister (XV): Steinitz
Vabanque - 15. Sep '16
Bei der Suche nach einer guten Verlustpartie von Steinitz ergaben sich natürlich wieder ähnliche Probleme wie schon bei den anderen Weltmeistern. Seine 'schönsten Niederlagen' (ich muss bei dem Begriff übrigens immer lachen, denn für den Unterlegenen sind sie nie schön) spielte er in den WM-Kämpfen gegen Tschigorin und Lasker, aber die hatten wir nach den Regeln dieser Reihe ja ausgeschlossen. Außerdem kam bei Steinitz - noch mehr als bei den anderen Weltmeistern - die Neigung hinzu, gerade gegen Ende seiner Karriere (und seines Lebens) oft Partien durch verhängnisvolle Patzer unmittelbar wegzuwerfen (obwohl er andererseits in seinen letzten Lebensjahren immer noch bärenstark spielte und einige glänzende Siege gegen starke Gegnerschaft erfocht, nur die Konzentration war offenbar nicht mehr da). Wenn man es darauf anlegen würde, könnte man durch geeignete Partieauswahl schon zeigen, 'was Steinitz doch für ein schwacher Spieler war' (wie in manchen Schachforen selbst ernannte 'Experten' teilweise wirklich behaupten!). Dies zu 'beweisen', hätte man aber bei allen anderen Weltmeistern durch entsprechende Partien aber ebenfalls vermocht.
Nach langem Hin und Her habe ich folgende Niederlage Steinitz' ausgewählt, die zwar auch drastisch ist, wo der Verlust aber nicht durch einen offensichtlichen Patzer zu Stande kommt, sondern durch eine Fehleinschätzung der Lage, und durch das starke und energische Spiel David Janowskis.































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Nach langem Hin und Her habe ich folgende Niederlage Steinitz' ausgewählt, die zwar auch drastisch ist, wo der Verlust aber nicht durch einen offensichtlichen Patzer zu Stande kommt, sondern durch eine Fehleinschätzung der Lage, und durch das starke und energische Spiel David Janowskis.
David Janowski Wilhelm Steinitz Hastings | Hastings ENG | 17 | 1895.08.27 | C72 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 a6 4. La4 d6 Steinitz fühlt sich natürlich verpflichtet, die nach ihm benannte Verteidigung der Spanischen Partie zu spielen. Genauer gesagt handelt es sich durch die Einschaltung von a7-a6 aber um die so genannte 'verzögerte' Steinitz-Verteidigung. 5. O-O Se7 Ld7 wird heute häufiger gespielt. 6. Lb3 Damals wie heute ein unüblicher Zug; c3 oder d4 sind 'Normalzüge.' Sa5 Sicherlich die richtige Reaktion, den gefährlichen Läufer gleich abzutauschen. 7. d4!? Entweder der Auftakt zu einem mutigen Figurenopfer oder zu einem Übersehen. xd4 8. Sxd4 c5 Steinitz glaubt, eine Figur gewinnen zu können, da er im nächsten Zug durch c5-c4 den weißen Läufer einschließen kann. 9. Sf5 Sxf5
Verschiedene Kommentatoren haben behauptet, dass hier Lxf5 10. xf5 c4 glatt eine Figur gewinnt. Aber nach 11. La4+ auch Sc3 und Te1 sind gut b5 12. Te1 xa4 13. Sc3 scheint Weiß genügend Kompensation zu haben; die schwarze Stellung ist sehr schwer zu 'entknoten'. Jedenfalls bekam hier Steinitz kalte Füße und änderte seinen Plan.
10. xf5 Sxb3 11. Te1+ Eine wichtige Einschaltung; auf axb3 ist Lxf5 gut für Schwarz. Le7 12. f6! Dadurch werden Schwächen am schwarzen Königsflügel geschaffen. xf6 13. xb3 d5? Steinitz fühlt sich sicher, doch das ist eine Täuschung. Er musste hier Le6 spielen, mit der Möglichkeit, jederzeit Dd7 folgen lassen zu können; warum werden wir gleich sehen. Jedenfalls hätte er damit die Stellung wohl halten können. Zu dem Textzug ist, wie Janowski gleich nachweist, keine Zeit. 14. Dh5! Nun geht Le6 nicht mehr wegen Txe6. Dd6 Deswegen bereitet Steinitz dies vor. 15. Sc3 Bedroht d5, aber es gibt noch eine andere Drohung ... Le6 Die schwarze Stellung wirkt gesichert. 16. Sb5! Janowski lässt sich nicht zweimal bitten; auf solche Chancen spielte er ja geradezu. Dc6 17. Txe6! Die Pointe. Schwarz hat keine Wahl. Dxb5 18. Lh6 Droht 19. Lg7 nebst Lxf6 sowie auch 19. Tae1. Schwarz kann nicht rochieren (weil dann der Le7 hängt) und hat wieder nur eine Wahl. Kd8 19. Dxf7 Te8 20. Tae1 Dd7 21. Lg7 Droht unverhinderbar Lxf6. Der Le7 ist schon wieder gefesselt. Tc8 22. Lxf6 Lxf6 Verzweiflung. 23. Dxf6+ Natürlich gewinnt auch Txe8+, aber der Textzug ist noch präziser. Kc7 24. De5+
Kellerdrache - 16. Sep '16
Es ist wirklich erstaunlich wie schnell aus einer solide und langweilig aussehenden Stellung eine "sturmreife Bude" gemacht wird. Vor allem f6 hat mir wirklich sehr gut gefallen. So etwas findet unser eins so schnell nicht. Von Janowski wirklich sehr überzeugend gespielt.
ich glaube Steinitz unstetes Spiel in dieser Zeit hatte auch etwas mit seinen zahlreichen finanziellen Problemen zu tun. Jeder weiß wenn man den Kopf nicht frei hat ist es schwer sich dauerhaft zu konzentrieren. Heutige WMs verdienen ungleich mehr, selbst inflationsbereinigt, und haben in der Regel Manager die ihnen diese Sorge abnehmen. In der zweiten Liga der GMs gibt es aber viele, die jeden Cent zählen müssen.
Bei einem Schnellschachturnier wo ich vor der letzten runde Aussichten auf einen Ratingpreis (soll heißen: einen Preis für das beste Ergebnis eines DWZ-schwächeren Spielers) hatte wurde ich gegen einen serbischen IM gelost. Der bot mir dann tatsächlich an die Partie mit mir Remis zu machen (bei einem Unterschied von geschätzten 600 DWZ/ELO Punkten) wenn ich den Ratingpreis von EUR 90,- mit ihm teilen würde. Der konnte offensichtlich vom Schach nicht gut leben.
ich glaube Steinitz unstetes Spiel in dieser Zeit hatte auch etwas mit seinen zahlreichen finanziellen Problemen zu tun. Jeder weiß wenn man den Kopf nicht frei hat ist es schwer sich dauerhaft zu konzentrieren. Heutige WMs verdienen ungleich mehr, selbst inflationsbereinigt, und haben in der Regel Manager die ihnen diese Sorge abnehmen. In der zweiten Liga der GMs gibt es aber viele, die jeden Cent zählen müssen.
Bei einem Schnellschachturnier wo ich vor der letzten runde Aussichten auf einen Ratingpreis (soll heißen: einen Preis für das beste Ergebnis eines DWZ-schwächeren Spielers) hatte wurde ich gegen einen serbischen IM gelost. Der bot mir dann tatsächlich an die Partie mit mir Remis zu machen (bei einem Unterschied von geschätzten 600 DWZ/ELO Punkten) wenn ich den Ratingpreis von EUR 90,- mit ihm teilen würde. Der konnte offensichtlich vom Schach nicht gut leben.
Vabanque - 16. Sep '16
Und, hast du angenommen?
Kellerdrache - 16. Sep '16
Nein, für € 45,- beschmutze ich mein Gewissen nicht ;-)). So hab ich verloren und mein Hauptkonkurrent hat Remis gemacht. Ob dessen Gegner auch Geld brauchte ?Ich glaube er hat einfach solider gespielt als ich.
Vabanque - 16. Sep '16
Ich glaube, ich hätte es ebenso gemacht, aber eigentlich sind wir dumm? Naja, wir brauchen die 45 € nicht nötig, aber wenn wir es im Leben überall so machen, kommen wir wohl zu gar nichts :))