Kommentierte Spiele
Carl Schlechter: auf Wunsch von Hasenrat, aber für alle :)
Vabanque - 05. Apr '14
Im Jahre 1910 spielte der Österreicher Carl Schlechter
ein Match um die Weltmeisterschaft gegen den großen
Emanuel Lasker. Schlechter führte in diesem Match,
verdarb aber unverständlicherweise die letzte Partie,
womit das Match unentschieden ausging und Lasker den
Titel behielt. Im Gegensatz zu anderen 'ungekrönten
Weltmeistern' wie etwa Bronstein, Keres oder auch
Reshevsky ist Schlechter aber beim Schachpublikum nie
wirklich populär geworden. Seine unauffällige
Persönlichkeit mag einer der Gründe hierfür sein,
vielleicht auch sein allzu kurzes Leben, möglicherweise
aber auch sein eher unspektakulärer Schachstil, der
mehr pragmatisch und effizient als brilliant zu nennen
ist. Er war dem friedlichen Ausgang einer Partie
vielleicht auch allzu zugeneigt, was den Autor Thomas
Glavinic zu dem Titel seines Romans 'Carl Haffners
Liebe zum Unentschieden' (der auf Szenen aus
Schlechters Leben fußt) inspiriert hat. Schlechter war
kein Kämpfer, weder im Schach noch im Leben. Aber in
seinen besten Partien zeigt sich eine unbeschwerte
Leichtigkeit und Klarheit, die an Capablanca erinnert,
aber ohne dessen oft gnadenlose Präzision.
Die folgende Partie gibt ein gutes Beispiel für
Schlechters unauffällige Eleganz. Sie erhielt
seinerzeit einen Schönheitspreis.































PGN anzeigen
ein Match um die Weltmeisterschaft gegen den großen
Emanuel Lasker. Schlechter führte in diesem Match,
verdarb aber unverständlicherweise die letzte Partie,
womit das Match unentschieden ausging und Lasker den
Titel behielt. Im Gegensatz zu anderen 'ungekrönten
Weltmeistern' wie etwa Bronstein, Keres oder auch
Reshevsky ist Schlechter aber beim Schachpublikum nie
wirklich populär geworden. Seine unauffällige
Persönlichkeit mag einer der Gründe hierfür sein,
vielleicht auch sein allzu kurzes Leben, möglicherweise
aber auch sein eher unspektakulärer Schachstil, der
mehr pragmatisch und effizient als brilliant zu nennen
ist. Er war dem friedlichen Ausgang einer Partie
vielleicht auch allzu zugeneigt, was den Autor Thomas
Glavinic zu dem Titel seines Romans 'Carl Haffners
Liebe zum Unentschieden' (der auf Szenen aus
Schlechters Leben fußt) inspiriert hat. Schlechter war
kein Kämpfer, weder im Schach noch im Leben. Aber in
seinen besten Partien zeigt sich eine unbeschwerte
Leichtigkeit und Klarheit, die an Capablanca erinnert,
aber ohne dessen oft gnadenlose Präzision.
Die folgende Partie gibt ein gutes Beispiel für
Schlechters unauffällige Eleganz. Sie erhielt
seinerzeit einen Schönheitspreis.
Carl Schlechter David Janowski Ostend | Ostend BEL | 11 | 1905.06.26 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. d4 d5 2. c4 e6 3. Sc3 Sf6 4. Lg5 Sbd7 5. e3 Le7 6. Sf3 O-O Diese so genannte orthodoxe Verteidigung des Damengambits wird auch heute noch gespielt. Ihr Nachteil besteht allerdings in der Schwierigkeit, den schwarzen Damenläufer zu entwickeln. 7. Ld3 b6 Diese Flankenentwicklung des schwarzen 'Sorgenkinds' hatte lange Zeit einen schlechten Ruf, ist aber heute rehabilitiert. 8. xd5!? Um den Schwarzen zu zwingen, die angestrebte Läuferdiagonale gleich wieder mit einem Bauern zu versperren. xd5 Spielt Schwarz Sxd5, um die Läuferdiagonale offen zu halten, so muss er nach 9. Sxd5 doch mit exd5 zurücknehmen, denn 9... Lxg5 würde nach 10. Sxc7! einen Bauern kosten. 9. O-O c5 10. Se5!? Der 'Pillsbury- Angriff', mit dem der Namensgeber beträchtliche Erfolge zu verzeichnen hatte. Der unangenehme weiße Springer soll noch mit f2-f4 unterstützt werden. Sxe5 Deswegen tauscht ihn Schwarz gleich. 11. xe5 Sd7 12. Lf4 Weiß vermeidet den Läufertausch (obwohl dieser ebenfalls gut gewesen wäre), um die beengte schwarze Stellung nicht zu erleichtern. Der Bauer e5 ist jetzt gedeckt, und der schwarze Bauer d5 hängt. Lb7 13. Df3 Schon hat Weiß allein mit einfachen, natürlichen Zügen gute Angriffsaussichten am Königsflügel erlangt. Die Dame soll nach h3 geführt werden, wo sie auf h7 Matt droht. Te8 Macht dem Springer das gute Verteidigungsfeld f8 frei. 14. Dh3 Sf8 So verteidigt sich Schwarz, ohne einen schwächenden Bauernzug ausführen zu müssen. 15. Tad1 Das Gegenüber des weißen Turms ist jetzt für die schwarze Dame umso unangenehmer, als sie diesem nicht ausweichen kann: auf Dc7 oder Db8 würde e5-e6 mit Aufdeckung der Diagonalen des Läufers f4 folgen, und auf Dc8 oder Dd7 käme einfach Lf5. Sg6 Dieser Zug leistet eigentlich nichts, da Schwarz auch nicht auf f4 tauschen könnte wegen Dxh7+ nebst Dh8#. Aber der schwarzen Stellung mangelt es an einem guten Plan. 16. Lg3 Um dem f-Bauern den Weg zu ebnen. Lf8 17. f4 a6 Schwarz sichert sich gegen ein eventuelles Lb5 und bereitet eine Gegendemonstration am Damenflügel vor, die allerdings nicht weit kommt. 18. Lc2 Le4 gewinnt ja scheinbar mühelos einen Bauern, warum also hat Schlechter darauf verzichtet? Nun, Schwarz kann mit dxe4 die Dame geben, und nach Txd8 Taxd8 ist dann die Lage gar nicht so klar; jedenfalls spielt sich die weiße Stellung nicht leicht. Deswegen hält Schlechter lieber die Spannung aufrecht; außerdem bereitet er hier schon seinen folgenden überraschenden Zug vor. b5 19. e6!? Ein interessantes Bauernopfer, das Linienöffnung am Königsflügel erzwingt. xe6 Txe6 scheidet wegen der Bauerngabel f5 aus. 20. f5 Aber jetzt öffnen sich zugleich die f-Linie und die Diagonale des Läufers g3. xf5 21. Dxf5 Weiß droht jetzt Df7+ nebst Dxb7, aber auch Sxd5 hätte jetzt große Wirkung. De7?! Mit Df6! wäre Schwarz im Spiel geblieben. Der Textzug sieht aber gut aus, weil Schwarz den Bauern e3 mit Schach bedroht und damit scheinbar seine Dame mit Tempo aus der Turmlinie gebracht hat. 22. Sxd5! Führt das nicht bloß zu Abtausch? Lxd5 Erzwungen; die schwarze Dame hat kein brauchbares Fluchtfeld (22... Dd8 23. Df7+; 22... De6 23. Sc7) 23. Dxd5+ De6? Janowski übersieht die hübsche Antwort. Kh8 war nötig und wohl auch gerade noch spielbar, da immer noch der weiße Bauer e3 mit Schach hängt und daher sofortiges Tf7 nichts einbringt. Der Textzug scheint Damentausch zu erzwingen. Das tut er auch, aber auf ganz andere Weise als Schwarz sich das vorgestellt hat! 24. Le4! Dieser elegante Florettstoß gewinnt in allen Varianten die Qualität mit Gewinnstellung. Bis hierhin musste Schlechter bei 22. Sxd5 gerechnet haben, denn kein anderer Zug hätte hier irgendeinen nennenswerten Vorteil für Weiß ergeben. Tac8 Der Turm muss von a8 weg, wenn Schwarz nicht nach Dxe6 einen ganzen Turm einbüßen will. Etwas besser wäre Dxd5 25. Lxd5+ Kh8 26. Lxa8 Txa8 gewesen, weil der weiße Turm dann zwar auf die siebte, aber wenigstens nicht auf die achte Reihe eindringen kann. 25. Dxe6+ Txe6 26. Ld5 Te8 27. Lxe6+ Txe6 28. Td8 Das auch noch! Die Fesselung erweist sich schnell als tödlich. Nimmt Schwarz auf e3, so kostet Ld6 gleich den Lf8. Schwarz hat fast keine Züge mehr: sein Läufer kann nicht ziehen, sein König und sein Springer können auch nicht ziehen, ohne den Läufer im Stich zu lassen, und sein Turm muss auf der 6. Reihe bleiben, um Ld6 nicht zuzulassen. c4 29. Ld6! Trotzdem! Weiß könnte hier auf viele andere Weisen gewinnen, aber er entscheidet sich für diese elegante Vereinfachungskombination. Txd6 30. Txf8+ Sxf8 31. Txd6 Das Endspiel ist jetzt völlig hoffnungslos für Schwarz; er büßt alle seine Damenflügelbauern ein, z.B. folgt auf a6-a5 gleich Tb5. Sg6 32. Txa6 Se5 Der Rappe vollführt seine letzten taumelnden Hopser. 33. Tb6 Sd3 34. Txb5 Aufgegeben; Weiß rollt nächstens seinen a-Bauern ganz gemütlich in die Torlinie.
Kellerdrache - 07. Apr '14
Das sind die Partien, die Schach ganz einfach aussehen lassen. Alles sieht so eindeutig und folgerichtig aus, dass man sich wundert warum einem selber so eine Partie nie gelingt.
"Schach ist einfach, wenn man kann" Wenn man nicht kann, sieht eine Schachpartie oft aus wie ein undurchdringlicher Dschungel.
"Schach ist einfach, wenn man kann" Wenn man nicht kann, sieht eine Schachpartie oft aus wie ein undurchdringlicher Dschungel.
Vabanque - 07. Apr '14
Ja genau :)
Alles sieht so einfach aus ... und genau darin liegt die Kunst :)
Alles sieht so einfach aus ... und genau darin liegt die Kunst :)