Kommentierte Spiele

Große Partien ... (IV): Topalov - Ponomariov 2005

Vabanque - 26. Dez '13
Es ist ja vielfach behauptet worden, es gebe heute keine wirklichen
Glanzpartien mehr, jedenfalls keine von der 'guten alten' Art, wo ein Opfer
das nächste jagt, und der feindliche König übers Brett gehetzt wird, um
schließliche einem kühnen Schwertstreich zu erliegen. (Übrigens wurde die
gleiche Behauptung vor ca. 100 Jahren auch schon aufgestellt.) Und wenn
einmal einem Spieler eine solche Partie gelinge, dann doch sicher nicht
gegen einen GM, sondern gegen irgendeinen Feld-Wald- und Wiesen-Spieler.
Die folgende Partie widerlegt solche Behauptungen aufs Schönste. Topalov gelingt hier
gegen einen hochklassigen Gegner eine absolut traumhafte Angriffspartie im
Stil der alten Meister.

Veselin Topalov Ruslan Ponomariov MTel Masters | Sofia BUL | 9 | 2005.05.21 | E15 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sf3 b6 4. g3 La6 Diesen gewiss etwas merkwürdigen Zug hat übrigens schon Nimzowitsch angewandt. Eingebürgert hat sich diese Spielweise allerdings erst in den 80er Jahren. 'Normal' wäre Lb7. 5. b3 Lb4+ Diese Art Manöver ist schon seit Anfang des 20. Jh. bekannt. Schwarz hofft damit, den weißen Läufer auf ein Feld zu locken, wo er die weiße Figurenaufstellung eher stört. 6. Ld2 Le7 7. Sc3 Interessant, dass Topalov nun mit der Entwicklung des Damenflügels fortfährt, statt Lg2 zu spielen. Aber er möchte e4 unter Kontrolle bringen. O-O 8. Tc1 Dieser Zug ist mir nicht recht verständlich. Es scheint sich um eine Art Abwartezug zu handeln. Weiß wartet darauf, dass Schwarz d5 spielt; dann wäre nach dem Bauerntausch auf d5 die c-Linie für den weißen Turm schon halboffen. Aber vielleicht sollte Schwarz den Stier bei den Hörnern packen und La3!? spielen? c6 Schwarz möchte d5 nur so spielen, dass er mit dem c-Bauern zurückschlagen kann, wenn Weiß auf d5 tauscht. 9. e4 d5 10. e5 Se4 11. Ld3 Überraschend, dass der Läufer auf einmal hier auftaucht statt auf g2! Aber so kämpft Weiß um den Zentralpunkt e4; der schwarze Springer muss sich nun entscheiden. Schwarz kann nicht gut f7-f5 antworten, weil Weiß en passant tauscht und dann der schwarze Bauer e6 eine fühlbare Schwäche bildet. Sxc3 12. Txc3!? Erst recht überraschend! Ein Positionsspieler hätte hier bestimmt mit dem Läufer zurückgeschlagen. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass Topalov hier schon die späteren brillanten Wendungen vorausgeahnt hat, doch wären sie jedenfalls nach Lxc3 nicht möglich gewesen. c5! Richtigerweise kämpft auch Schwarz sofort um das Zentrum. 13. xc5 xc5 Hier wäre d5-d4 besser gewesen. Schwarz konnte damit den Nachteil der weißen Turmstellung aufdecken. Nach Tc1 konnte Schwarz dann immer noch auf c5 zurückschlagen, denn der mit Le4 eingeleitete Qualiätsgewinn würde Weiß nur schwere Sorgen auf den weißen Feldern einbringen. 14. h4! Obwohl der schwarze Gegenstoß im Zentrum bereits erfolgt ist, startet Topalov einen Flügelangriff. Dass er hier seinen König im Zentrum lassen kann, zeugt von tiefer Stellungseinschätzung. Es droht nun das klassische Läuferopfer auf h7, gefolgt von Sg5+, da nach dem Nehmen Le7xg5 hxg5 die h-Linie offen wäre und der weiße h-Turm entscheidend am Angriff teilnehmen könnte. Der weiße Bauer würde mit eventuellem g5-g6 das Mattnetz dann schließen. Nachträgliche Analysen haben jedenfalls gezeigt, dass auf Züge wie Te8 oder auch Sc6 das Läuferopfer durchschlagen würde. h6 Ponomariov fürchtet das Läuferopfer und verhindert es mit diesem Zug. Später fand man heraus, dass hier nur Dc7! die schwarze Stellung halten kann, weil Schwarz dann den weißen Angriff nach dem Läuferopfer und Sg5+ mit der Gegendrohung Dxe5+ stört. Das Läuferopfer wäre dann nicht möglich gewesen. Aber am Brett war das schwer zu erahnen. 15. Lb1! Einfach und stark und übrigens ein häufiges Manöver in solchen Stellungen. Die Dame soll zum Angriff vor den Läufer auf die Diagonale b1-h7 geführt werden. Nach sofortigem Dc2 würde nur ein harmloses Läuferschach auf h7 'drohen'. Geht jetzt anschließend die Dame nach c2, droht ein vernichtendes Damenschach. f5?! Ponomariov sagt sich, dass dieser Zug nach Dc2 ohnehin notwendig wird. Das stimmt zwar, aber trotzdem wäre Sd7 hier besser gewesen, weil er dann nach Dc2 f5 exf6 e.p. auf f6 mit dem Springer zurückschlagen könnte, der hier ein besserer Verteidiger ist als der Läufer. 16. ef6 Lxf6 17. Dc2! d4 Ponomariov hat vermutlich nicht sehr lange über Lxc3 nachgedacht. Durch diesen 'Qualitätsgewinn' würde er einen Verteidiger seines ohnehin sehr schwach bewachten Königsflügels hergeben. Mit dem Textzug hofft er auf Gegenspiel, weil der Angriff nach Dh7+ Kf7 für Weiß nicht weiterginge, und der weiße Turm erstmal den Rückzug antreten müsste. Aber Toplalov startet nun einen beispiellosen Opferreigen. 18. Sg5!! Die erste große Überraschung! Schwarz muss nehmen, weil der Springer dem schwarzen König das Fluchtfeld f7 nimmt und daher unmittelbar Matt auf h7 droht. xg5
Nimmt er mit dem Läufer, so greift nach Lxg5 19. Dh7+ Kf7 20. Lxg5 xg5 der weiße Turm mit 21. Tf3+ vernichtend in den Kampf ein: Ke8 22. Lg6+ Kd7 23. Dxg7+ und Schwarz büßt den Tf8 in Verluststellung ein.
19. xg5! Die h-Linie ist jetzt für den weißen Turm offen, aber der andere Turm steht ein! xc3 20. Lf4!! Grandios! Weiß hat einen Springer und einen Turm geopfert (wo gibt es so etwas in einer modernen Großmeisterpartie nach 20 Zügen??), und macht nun überhaupt keine Anstalten, die Lage zu forcieren, sondern spielt seelenruhig einen stillen Zug! Der Läufer schneidet aber in manchen Varianten dem schwarzen König das Fluchtfeld d6 ab, und vor allem droht jetzt absolut tödlich ein weiterer stiller Zug, nämlich Dg6! Nach Dg6 (was nicht sofort möglich war, da der Ld2 mit Schach hing, deswegen war zuerst Lf4 nötig) wäre dem schwarzen König das Fluchtfeld f7 genommen, so dass absolut unparierbar Matt in 2 Zügen durch das weitere Turmopfer Th8+ drohen würde. Was für eine grandiose Konzeption! All das musste Topalov gesehen haben, als er 18. Sg5!! zog! Kf7 Die einzige Chance für den schwarzen König ist sofortige Flucht! Auf De8 (um Dg6 zu verhindern) könnte Weiß nach 21. Dh7+ Kf7 am einfachsten den weiteren fluchtfeldabschneidenden stillen Zug 22. Le7! spielen, so dass wieder Dg6+ Kg8 Th8+ droht. 21. Dg6+ Ke7 Auf Kg8 käme natürlich genauso Th8+ mit Matt in 2. 22. xf6+ Txf6 gxf6 Th7+ 23. Dxg7+ Tf7 Auf Ke8 würde Th8+ folgen. Aber jetzt? Schwarz hat immer noch einen Turm mehr, und die weiße Dame ist angegriffen. 24. Lg5+! Hier musste Topalov wiederum die Fortsetzung präzise berechnen, da die schwarze Dame scheinbar zum Gegenangriff kommt. Kd6
Ke8 25. Dg8+ Kd7
Tf8 26. Dxe6+
26. Dxd8+ Kc6 27. Le4#
25. Dxf7 Dxg5 Die schwarze Dame scheint nun sehr gefährliche Schachdrohungen auf c1 und d2 gegen den in der Mitte verbliebenen weißen König zu haben. Vor allem droht Dc1+ mit Eroberung des Turms h1! Und Schwarz hat immer noch eine Mehrfigur. 26. Th7! Ein so genannter Umgehungsangriff der schweren Figuren, da sie den schwarzen König von hinten zu fassen versuchen. Es droht brutal Dc7 matt. Die Stellung erinnert nun frappierend an Vorgabepartien von Morphy gegen Amateure: Schwarz hat mehr Material, aber nur die Dame im Spiel, während die anderen Figuren unentwickelt oder unbeteiligte Zuschauer sind wie hier der La6. Sie werden in dieser Partie auch nie mehr einen Zug machen. Hätte Schwarz im 4. Zug also doch Lb7 spielen sollen? Tarrasch hätte in seiner dogmatischen Art an dieser Stelle sicherlich jubelnd konstatiert, dass die 'bizarre, hässliche und unnatürliche' Entwicklung des Läufers nach a6 in diesem Spiel seine praktische Widerlegung gefunden hat. Aber so einfach ist Schach halt nicht. Der Läuferzug nach La6 hat sich in anderen Partien durchaus bewährt. Sonst würde ihn auch niemand mehr spielen. De5+
Topalov hat schon bei 24. Lg5! genau berechnen müssen, dass hier Schwarz nach Dc1+ 27. Ke2 Dd2+ 28. Kf3 Dd1+ 29. Kg2 kein Schach mehr hat, zumal die weiße Dame auch das Feld b7 kontrolliert. Ponomariovs Zug soll das Mattfeld c7 kontrollieren helfen. Ein lustiges Matt entstünde nach 26. ... e5 27. Dd5#.
27. Kf1 Kc6 c7 ist gedeckt, wie kommt Weiß zum Ziel? Denn in so einer Stellung ist eine Kombination, wie es GM Reuben Fine mal ausdrückte, 'so natürlich wie das Lächeln eines Babys.' Kann die schwarze Dame von der Verteidigung von c7 irgendwie abgelenkt werden? Ja, mit Le4+. Aber das ist noch nicht zwingend, denn Schwarz nimmt natürlich nicht, sondern flieht mit dem König nach b6, und wie geht es dann weiter? Das bringt einen auf die Idee, mit dem folgenden Manöver dem schwarzen König zuerst das Fluchtfeld b6 zu nehmen und dann das Ablenkungsopfer zu spielen: 28. De8+ Kb6 Kd6 führt zu genau dem gleichen Schluss. 29. Dd8+ Kc6 30. Le4+! Das letzte Opfer, wegen Dxe4 31. Dc7# gab Schwarz auf. Mitreißend bis zum Schluss! In der Kunst des geradlinigen, direkten Angriffsschachs hat Topalov nicht seinesgleichen. Romantisches Schach im 21. Jahrhundert!
PGN anzeigen
[Event "MTel Masters"]
[Site "Sofia BUL"]
[Date "2005.05.21"]
[EventDate "?"]
[Round "9"]
[Result "1-0"]
[White "Veselin Topalov"]
[Black "Ruslan Ponomariov"]
[ECO "E15"]

1. d4 Nf6 2. c4 e6 3. Nf3 b6 4. g3 Ba6 {Diesen gewiss
etwas merkwürdigen Zug hat übrigens schon Nimzowitsch angewandt.
Eingebürgert hat sich diese Spielweise allerdings erst in den 80er Jahren.
'Normal' wäre Lb7.} 5. b3 Bb4+ {Diese Art Manöver ist schon seit Anfang des
20. Jh. bekannt. Schwarz hofft damit, den weißen Läufer auf ein Feld zu
locken, wo er die weiße Figurenaufstellung eher stört.} 6. Bd2 Be7 7. Nc3
{Interessant, dass Topalov nun mit der Entwicklung des Damenflügels
fortfährt, statt Lg2 zu spielen. Aber er möchte e4 unter Kontrolle
bringen.} O-O 8. Rc1 {Dieser Zug ist mir nicht recht verständlich. Es
scheint sich um eine Art Abwartezug zu handeln. Weiß wartet darauf, dass
Schwarz d5 spielt; dann wäre nach dem Bauerntausch auf d5 die c-Linie für
den weißen Turm schon halboffen. Aber vielleicht sollte Schwarz den Stier
bei den Hörnern packen und La3!? spielen?} c6 {Schwarz möchte d5 nur so
spielen, dass er mit dem c-Bauern zurückschlagen kann, wenn Weiß auf d5 tauscht.} 9. e4 d5 10. e5 Ne4 11. Bd3 {Überraschend, dass der Läufer auf einmal hier auftaucht statt auf g2! Aber so kämpft Weiß um den Zentralpunkt e4; der schwarze Springer muss sich nun entscheiden. Schwarz kann nicht gut f7-f5 antworten, weil Weiß en passant tauscht und dann der schwarze Bauer e6 eine fühlbare Schwäche bildet.} Nxc3
12. Rxc3!? {Erst recht überraschend! Ein Positionsspieler hätte hier
bestimmt mit dem Läufer zurückgeschlagen. Es ist zwar unwahrscheinlich,
dass Topalov hier schon die späteren brillanten Wendungen vorausgeahnt
hat, doch wären sie jedenfalls nach Lxc3 nicht möglich gewesen.} c5!
{Richtigerweise kämpft auch Schwarz sofort um das Zentrum.} 13. dxc5 bxc5
{Hier wäre d5-d4 besser gewesen. Schwarz konnte damit den Nachteil der
weißen Turmstellung aufdecken. Nach Tc1 konnte Schwarz dann immer noch auf
c5 zurückschlagen, denn der mit Le4 eingeleitete Qualiätsgewinn würde Weiß
nur schwere Sorgen auf den weißen Feldern einbringen.} 14. h4! {Obwohl der
schwarze Gegenstoß im Zentrum bereits erfolgt ist, startet Topalov einen
Flügelangriff. Dass er hier seinen König im Zentrum lassen kann, zeugt von
tiefer Stellungseinschätzung. Es droht nun das klassische Läuferopfer auf
h7, gefolgt von Sg5+, da nach dem Nehmen Le7xg5 hxg5 die h-Linie offen wäre
und der weiße h-Turm entscheidend am Angriff teilnehmen könnte. Der weiße
Bauer würde mit eventuellem g5-g6 das Mattnetz dann schließen.
Nachträgliche Analysen haben jedenfalls gezeigt, dass auf Züge wie Te8 oder
auch Sc6 das Läuferopfer durchschlagen würde.} h6 {Ponomariov fürchtet das
Läuferopfer und verhindert es mit diesem Zug. Später fand man heraus, dass
hier nur Dc7! die schwarze Stellung halten kann, weil Schwarz dann den
weißen Angriff nach dem Läuferopfer und Sg5+ mit der Gegendrohung Dxe5+
stört. Das Läuferopfer wäre dann nicht möglich gewesen. Aber am Brett war
das schwer zu erahnen.} 15. Bb1! {Einfach und stark und übrigens ein
häufiges Manöver in solchen Stellungen. Die Dame soll zum Angriff vor den
Läufer auf die Diagonale b1-h7 geführt werden. Nach sofortigem Dc2 würde
nur ein harmloses Läuferschach auf h7 'drohen'. Geht jetzt anschließend die
Dame nach c2, droht ein vernichtendes Damenschach.} f5?! {Ponomariov sagt
sich, dass dieser Zug nach Dc2 ohnehin notwendig wird. Das stimmt zwar,
aber trotzdem wäre Sd7 hier besser gewesen, weil er dann nach Dc2 f5 exf6
e.p. auf f6 mit dem Springer zurückschlagen könnte, der hier ein besserer
Verteidiger ist als der Läufer.} 16. exf6 Bxf6 17. Qc2! d4 {Ponomariov hat
vermutlich nicht sehr lange über Lxc3 nachgedacht. Durch diesen
'Qualitätsgewinn' würde er einen Verteidiger seines ohnehin sehr schwach
bewachten Königsflügels hergeben. Mit dem Textzug hofft er auf Gegenspiel,
weil der Angriff nach Dh7+ Kf7 für Weiß nicht weiterginge, und der weiße
Turm erstmal den Rückzug antreten müsste. Aber Toplalov startet nun einen
beispiellosen Opferreigen.} 18. Ng5!! {Die erste große Überraschung!
Schwarz muss nehmen, weil der Springer dem schwarzen König das Fluchtfeld
f7 nimmt und daher unmittelbar Matt auf h7 droht.} 18... hxg5 ({Nimmt er
mit dem Läufer, so greift nach} 18... Bxg5 19. Qh7+ Kf7 20. Bxg5 hxg5 {der
weiße Turm mit } 21. Rf3+ {vernichtend in den Kampf ein:} Ke8 22. Bg6+
Kd7 23. Qxg7+{ und Schwarz büßt den Tf8 in Verluststellung ein.}) 19. hxg5!
{Die h-Linie ist jetzt für den weißen Turm offen, aber der andere Turm
steht ein!} dxc3 20. Bf4!! {Grandios! Weiß hat einen Springer und einen
Turm geopfert (wo gibt es so etwas in einer modernen Großmeisterpartie nach
20 Zügen??), und macht nun überhaupt keine Anstalten, die Lage zu
forcieren, sondern spielt seelenruhig einen stillen Zug! Der Läufer
schneidet aber in manchen Varianten dem schwarzen König das Fluchtfeld d6
ab, und vor allem droht jetzt absolut tödlich ein weiterer stiller Zug,
nämlich Dg6! Nach Dg6 (was nicht sofort möglich war, da der Ld2 mit Schach
hing, deswegen war zuerst Lf4 nötig) wäre dem schwarzen König das
Fluchtfeld f7 genommen, so dass absolut unparierbar Matt in 2 Zügen durch
das weitere Turmopfer Th8+ drohen würde. Was für eine grandiose Konzeption!
All das musste Topalov gesehen haben, als er 18. Sg5!! zog!} Kf7 {Die
einzige Chance für den schwarzen König ist sofortige Flucht! Auf De8 (um
Dg6 zu verhindern) könnte Weiß nach 21. Dh7+ Kf7 am einfachsten den
weiteren fluchtfeldabschneidenden stillen Zug 22. Le7! spielen, so dass
wieder Dg6+ Kg8 Th8+ droht. } 21. Qg6+ Ke7 {Auf Kg8 käme natürlich genauso
Th8+ mit Matt in 2.}
22. gxf6+ Rxf6 {gxf6 Th7+} 23. Qxg7+ Rf7 {Auf Ke8
würde Th8+ folgen. Aber jetzt? Schwarz hat immer noch einen Turm mehr, und
die weiße Dame ist angegriffen.} 24. Bg5+! {Hier musste Topalov wiederum
die Fortsetzung präzise berechnen, da die schwarze Dame scheinbar zum
Gegenangriff kommt.} Kd6 (24... Ke8 25. Qg8+ Kd7 (25... Rf8 26. Qxe6+) 26.
Qxd8+ Kc6 27. Be4#) 25. Qxf7 Qxg5 {Die schwarze Dame scheint nun sehr

gefährliche
Schachdrohungen auf c1 und d2 gegen den in der Mitte verbliebenen weißen
König zu haben. Vor allem droht Dc1+ mit Eroberung des Turms h1! Und
Schwarz hat immer noch eine Mehrfigur.} 26. Rh7! {Ein so genannter
Umgehungsangriff der schweren Figuren, da sie den schwarzen König von
hinten zu fassen versuchen. Es droht brutal Dc7 matt. Die Stellung erinnert
nun frappierend an Vorgabepartien von Morphy gegen Amateure: Schwarz hat
mehr Material, aber nur die Dame im Spiel, während die anderen Figuren
unentwickelt oder unbeteiligte Zuschauer sind wie hier der La6. Sie werden
in dieser Partie auch nie mehr einen Zug machen. Hätte Schwarz im 4. Zug
also doch Lb7 spielen sollen? Tarrasch hätte in seiner dogmatischen Art an
dieser Stelle sicherlich jubelnd konstatiert, dass die 'bizarre, hässliche
und unnatürliche' Entwicklung des Läufers nach a6 in diesem Spiel seine
praktische Widerlegung gefunden hat. Aber so einfach ist Schach halt
nicht. Der Läuferzug nach La6 hat sich in anderen Partien durchaus bewährt.
Sonst würde ihn auch niemand mehr spielen.} Qe5+ ({Topalov hat schon bei
24. Lg5! genau berechnen müssen, dass hier Schwarz nach} 26... Qc1+ 27. Ke2
Qd2+ 28. Kf3 Qd1+ 29. Kg2 {kein Schach mehr hat, zumal die weiße Dame auch

das Feld b7 kontrolliert. Ponomariovs Zug soll das Mattfeld c7

kontrollieren helfen.
Ein lustiges Matt entstünde nach 26. ... e5 27. Dd5#.}) 27. Kf1
Kc6 {c7

ist gedeckt, wie kommt Weiß zum Ziel? Denn in so einer Stellung ist eine

Kombination, wie es GM Reuben Fine mal ausdrückte, 'so natürlich wie das

Lächeln eines Babys.' Kann die schwarze Dame von der Verteidigung von c7

irgendwie abgelenkt werden? Ja, mit Le4+. Aber das ist noch nicht zwingend,

denn Schwarz nimmt natürlich nicht, sondern flieht mit dem König nach b6,

und wie geht es dann weiter? Das bringt einen auf die Idee, mit dem

folgenden Manöver dem schwarzen König zuerst das Fluchtfeld b6 zu nehmen
und dann das Ablenkungsopfer zu spielen:} 28. Qe8+ Kb6 {Kd6 führt zu
genau dem gleichen Schluss.} 29. Qd8+ Kc6 30. Be4+! {Das letzte Opfer,
wegen Dxe4 31. Dc7# gab Schwarz auf. Mitreißend bis zum Schluss! In der
Kunst des geradlinigen, direkten Angriffsschachs hat Topalov nicht

seinesgleichen. Romantisches Schach im 21. Jahrhundert!} 1-0
aspis40 - 26. Dez '13
Vielen Dank!

Ein schönes Geschenk zum Abschluß der Weihnachtstage.
cutter - 26. Dez '13
Vielen Dank, Vabanque für deine tollen Partien und super Kommentare! Klasse!

Kleiner Hinweis auf einen Tippfehler: Auf De8 (um Dg6 zu verhindern) könnte Weiß nach 21. Dh7+ Kf7 am einfachsten den weiteren fluchtfeldabschneidenden stillen Zug 22. Le7!

e7 ist das Fluchtfeld, du meintest sicherlich d6...
Wobei ich natürlich mit Lg6+ froh gewesen wäre, eine Dame zu erobern. Das ist halt der Unterschied ;-)
Vabanque - 26. Dez '13
Äh ja, danke, ich meinte tatsächlich Ld6!, um das Fluchtfeld e7 abzuschneiden :)
Und somit hatte ich e7 im Kopf und habe blöderweise Le7 getippt :))
Lg6+ stattdessen gewinnt natürlich auch, aber wozu die Dame erobern, wenn man mattsetzen kann ;)

Und danke für das Feedback!

Natürlich werden nicht alle Partien derart rasant sein wie diese, aber das geht ja auch gar nicht ... und es gibt auch tolle Positionspartien und Endspiele ... mal sehen ...